WELL DONE IN INDIAN WELLS
Dominic Thiem schüttelte eine Formkrise auf die bestmögliche Art ab. Österreichs bester Sommersportler holte sich in Indian Wells seinen ersten Atp-1.000-titel.
» „Ich war wie in Trance während des Spiels. Jetzt ist alles so unwirklich.“Es ist wirklich: Dominic Thiem hat sein bislang größtes Turnier gewonnen. Und wie: Der 25-Jährige schlug im Endspiel des Atp-1000-turniers in Indian Wells Roger Federer, sein Vorbild aus Jugendtagen, 3:6, 6:3, 7:5. In einem Match, in dem Österreichs Topmann mit Fortdauer der Partie immer entfesselter auftrat und immer stärker wurde. Und vor allem in der Entscheidung bei Temperaturen um die 30 Grad cool blieb. Das gegen den wohl besten Spieler der Geschichte mit 20 Grand-slam-titeln. Auch in Indian Wells ist der mittlerweile 37-jährige Schweizer mit fünf Titeln gemeinsam mit Novak Djokovic Rekordsieger. Nun hat Thiem King Roger also auch auf Hartplatz besiegt, damit auf allen Belägen.
Eingroßertag für Thiem, ein großer Tag für Österreichs Tennis nach dem durchwachsenen Saisonstart mit nur drei Saisonsiegen und vier Niederlagen eine Sternstunde. Gar eine Sensation? Günter Bresnik, der Indian Wells nicht mehr dabei war und bereits vom Chilenen Nicolás Massú vertreten wurde, verneint. „Das ist das Ergebnis jahrelanger, harter Arbeit, technisch ist er einer der Besten. Und wenn er körperlich und im Kopf gut ist, dann kann er jeden schlagen und jedes Turnier gewinnen. Er hat alle Großen
TAGFÜRÖSTERREICH.
schon geschlagen. Ihn als Sandplatzspezialisten zu bezeichnen, ist pervers.“Jedoch: Wenn Thiem und seinen Betreuern das jemand zwei Wochen zuvor prophezeit hätte, hätten sie wohl ungläubig den Kopf geschüttelt. Der Niederösterreicher hat sich nach schwachem Saisonstart in der Wüste von Kalifornien von der Krise zur Sternstunde gespielt.
Doch eine akribische Vorbereitung sowie „feurige“Unterstützung des neuen Touring-coaches Massú brachten frischen Wind. Ausgerechnet in der Oase inmitten der
AKRIBISCHES.
Wüste hat sich der Sand im Getriebe des nun schon fast drei Jahre in den Top Ten befindlichen Thiem in Luft aufgelöst. Noch einmal auf den dritten Sieg über den20-fachengrand-slam-sieger Federer zurückblickend, sah Thiem den Beginn des zweiten Satzes als Schlüssel. Da hatte er zwei Breakbälle abgewehrt und dann dem Schweizer das Service zum 3:1 abgenommen. „Es ist ein Riesenunterschied, ob es 3:6, 2:3 mit einem Break gegen mich steht, oder obes 3:6, 4:1steht. Vondemmoment an war es ein sehr offenes Match auf Augenhöhe mit dem glücklicheren Ende für mich“, sagte Thiem. Die Glücksgefühle nach dem Sieg warenaucheinestundenachdemmatchball noch nicht abgeklungen. „Was michamglücklichsten macht, ist, dass ich denerstenmasters-titel geholthabe. Den kann mir keiner mehr wegnehmen. Nachdem ich zwei Finali in Madrid verloren habe, ist das eine Riesensache für mich“, erklärte Thiem. Dass es gegen Federer gelungen ist, macht dies auch speziell. „Es ist für uns alle eine Riesen-ehre, gegen ihn zu spielen, weil er einfach so viel gewonnen hat“, streute Thiem dem Schweizer Superstar Rosen.
Der schon angesprochene zweifache chilenische Olympiasieger Massú im Team hat für Thiem auch einigen Anteil amerfolg. „Es war sehr gut. Er hat mich gut auf die Matches eingestellt. Er ist ein super Motivator von draußen. Die Basis, dass ich den Titel gewonnen habe, haben wir in den Tagen zuvor hier in Indian
MOTIVIERT.
Wells gelegt“, erzählte der Lichtenwörther. „Da haben wir wirklich sehr gute Trainingseinheiten gehabt. Das war sehr intensiv, und wir haben mich zurück auf körperlich und spielerisch gutes Niveau gebracht. Das waren super drei Wochen.“Für ihn und Österreichs Tennis war es eine Sternstunde. Noch nie zuvor hat ein Österreicher in Indian Wells gewonnen, Thiemistnachthomasmuster (8 Triumphe) erst der zweite ÖTVSpieler überhaupt, der in dieser Kategorie (früher Super 9 genannt) einen Titel geholt hat. Thomas Muster holte acht Titel auf dieser Ebene (damals Masters-turniere), zwei davon auf Hartplatz (1995 in der Halle von Essen, 1997 in Miami), die restlichen sechsaufsand(je drei Malmontecarlo und Rom). Das erste »
1.000er-finale waresnichtfürthiem, 2017und2018warerjeweilsschonim Endspiel von Madrid gestanden. Dominic Thiem ist zum zweiten Mal nach November 2017 (zwei Wochen) die Nummer 4 der Welt – hinter Novak Djokovic, Rafael Nadal und Alexander Zverev. Damals kletterte der Niederösterreicher aber auch deshalb nach oben, weil einige Spieler verletzt waren. Nunschaffteerdensprungmit seinem größten Erfolg und seinem zwölften Atp-titel. Nun hat Thiem in Miaminichts zu verteidigen (er fehlte 2018 verletzungsbedingt), bereits am Tag nach seinem Sieg flog er nach Florida. „Zum Feiern blieb keine Zeit“, sagt Mutter Karin, die bei der Amerika-tournee dabei ist. Thiem kann aber dennoch im schlimmsten Fall nur auf Platz sechs zurückfallen. Platz drei (Zverev) ist (noch) außer Reichweite. Für Trainer-vater Wolfgang Thiem zählen die großen Ergebnisse, aber am Erstaunlichsten ist etwas Anderes: „Er ist seit fast drei Jahren permanent in den Top Ten. Von allen Spielern ist er am längsten durchgehend dort. Diese Konstanz ist bewundernswert.“
Die Abwechslung von Jänner bis März war einzigartig. Dominic Thiem war der 19. Sieger im 19. Turnier dieses Jahres. Die einstigen Dominatoren wirkten in dieser Phase inkonstanter, ließen Turniere aus oder verloren – und gaben damit den nachdrängenden Spielern Chancen. Bei den Grand-slam-turnieren hat sich das Blatt wieder gewendet, zwei Mal gewann Rafael Nadal, zwei Mal Novak Djokovic. Zwei Herren, die zu Jahresbeginn noch nicht wirklich da waren. In Indian Wells konnte Nadal wegen einer Knieverletzung nicht zum Halbfinale gegen Federer antreten, Djokovic scheiterte bereits in der dritten Runde am Deutschen Philipp Kohlschreiber.
STATISTISCHES.
Massú war seit Februar Touring-coach von Thiem. Vor allem nach diesem Erfolg sollte er Nachfolger des Spaniers Galo Blanco werden. Als „Gute-laune-bär“sorgte er auch für eine psychische Komponente. „Er bringt eine positive Stimmung mit“, sagt e im März auch Bresnik. „Die Abwechslung ist gut, Massú ist lustiger als ich.“– HARALD OTTAWA
TRAINERFRAGE.