EINE HALLE AUS DEM HÄUSCHEN
Das Traditionsturnier in der Wiener Stadthalle erreichte heuer Superlative. Nicht nur die Tennisstars standen im Mittelpunkt. Auszüge eines Bilderbuch-turniers.
fassen. Ein Kindheitstraum ist in Erfüllungen gegangen“, jubelte Thiem, kurz nachdem er auf demstadthallenboden lag und die „Dominic“-schreie genoss. „Der Titel ist ein einziger Traum. Ich war vor 17 Jahren als Fan schon hier.“
Aller Anfang war nicht so toll, Thiem leistete sich einen Fehlstart und gab sein Aufschlagspiel ab. Aber angetrieben von einem euphorischen Publikum gewann der Ranglisten-fünfte acht Punkte in Folge. Also alles wieder gut? Nicht lange. Schwartzman, der im Laufe der Turnierwoche in Wien viele neue Fans gewonnen hat, gelang das Break zum 3:2. Aber dieses Mal waren die Zuschauer auf Seiten von Thiem, auch wenn vereinzelt „Diego“-rufe zu hören waren. Schwartzmangewanndenerstensatz. Aber die Dramaturgie der Woche hat gezeigt, dass dies nicht viel zu bedeuten hat. Schon gegen Fernando Verdasco und Matteo Berrettini hatte Thiem den ersten Satz abgegeben. „Ich bin überrascht, wie fehlerlos Schwartzman spielt. Dominic muss Zugriff auf das Match bekommen“, sagte Trainer-vater Wolfgang Thiem nach dem unschönen Start mit einer Break-orgie– Thiemgabdreimalseinen Aufschlag ab. Der wieselflinke Schwartzman setzte sein fehlerloses Spiel zunächst geduldigfort, Thiemwurdeaberaggressiver und versuchte, längeren Rallyes zu entgehen – mit dem Nachteil, dass er gelegentlich ungeduldig agierte. Das Publikum trieb den Niederösterreicher an, dieser konnte aber seine Breakchance bei 1:1 nicht nutzen. Es blieb zäh für Thiem. Noch. Als er das Break zum 5:4 holte und kurz darauf den Satz ausservierte, war die Stimmung euphorisch. Thiem spielte wieder mit den9.600fansimrücken, darunter Kurier-kolumnist Marc Janko. Es kam zum Grande Finale. Gegen einen argentinischen Gegner, der fast alles erlief und der die Bälle so exzellent antizipiert wie nur sehr wenige Tennisprofis auf der ATP-TOUR.
FEHLSTART.
Thiem nutzte den dritten Breakball zum 1:0. Schwartzman kämpfte weiterhin, Thiemwaraberderherrauf demhallenplatz, der am Ende zum Helden
LOB VOM VERLIERER.
platz wurde. Nach 2:25 Stunden Spielzeit durfte sich der Lichtenwörther frenetisch für seinen fünften Titel heuer feiern lassen. So viele Turniere hat heuer noch kein Spieler gewonnen. „Die Fans waren unvergesslich. Schade nur, dass ich einen guten Freund besiegt habe.“Amendegabes aber auch„diego“-chöre. „Erwareinfach zu gut“, gestand der 27-Jährige. Begeistert war auch Alexander Antonitsch, der oft als spielende Kraft in Wien zu Gast war. „So eine tolle Stimmung gab es hier noch nie. Vergleichbar war nur der Daviscup im Praterstadion1990gegendieusa“, sagtexProfi Alexander Antonitsch. „Es ist einfach nur geil.“Thiem gewann als erster Österreicher in Kitzbühel und in Wien. Unddas im selben Jahr. „Das ist einfach nur surreal.“Er ist allerdings nicht der »
einzige Österreicher, der zweiturniere im Lande gewinnen konnte. Muster siegteinkitzbühel(1993) undzweimal in St. Pölten (1994 und 1995). Es war ein Turnier, das auch ein bisschen wegen der nahen Glanzstoff-fabrik nicht den feinsten Nachgeschmack hatte. Thiems Topform ist kein Zufall. Auch nicht, dass er zu dieser Jahreszeit noch nie so gut war. „Es klingt komisch, aber die Erkrankung während der USTournee im August hat mir geholfen. Da bekam der Körper eine Ruhezeit“, sagt Thiem. Dass er jetzt am Höhepunkt steht, ist das Ergebnis jahrelanger harter Arbeit. Kein Zufallsprodukt. Mit Günter Bresnik hatte er über Jahre den besten Lehrmeister, immerhin zählt der Niederösterreicher zu den namhaftesten Trainern weltweit. Nach der Trennung von dem Altmeister hat der 26-Jährige unter Anleitung von Nicolás Massú undwolfgangthiemseinspielweiter verfeinert. Vor allem der Return und das Spiel am Netz wurden im Jahr 2019 verbessert.
Dennis Novak verspielte indes die Chance, zum zweiten Mal nach 2017 ins Achtelfinale des Atp-500-turniers einzuziehen. Der26-jährige Niederösterreicher musste sich einem angeschlagenenfranzosengaëlmonfilsnach97 Minuten mit 6:2, 5:7, 3:6 geschlagen geben. Novak war gegen den nicht ganz fitten Weltranglisten-14. schon auf der Siegerstraße, gab das Match aber noch aus der Hand. Der angeschlagene Monfils („Dennis ist wohl nervös geworden“) musste sich schon nach drei Gamesbehandeln lassen, nahm auch eine medizinische Auszeit und bot zunächst nicht die erwartete Gegenwehr. Nach verlore
DIE ANDEREN HEIMSPIELER.
nem zweiten Satz entschied ein Break zum 5:3 im Schlussdurchgang zuungunsten Novaks.
Bester Doppel-beitrag in der Stadthalle war wie in Kitzbühel Philipp Oswald. Der Vorarlberger scheiterte mit seinem neuseeländischen Partner Marcos Daniell erst im Semifinale, dann war gegen die späteren Sieger Rajeev Ram/joe Salisbury (USA/GBR/4) Endstation. Oliver Marach und Jürgen Melzer scheiterten bereits in der ersten Runde und gaben danach ihre Trennung bekannt. Bei Teambewerben wie Olympia werden sie aber weiterhin ein Gespann bilden. Ebenfalls zum Auftakt des Doppelbewerbes verloren Sam Weissborn und Sebastian Ofner.
FAMOSER OSSIE.
Wer die heurige Ausgabe in der Stadthalle besuchte, merkte es: Dominic Thiem hat endgültig einen Tennis-boom ausgelöst. Schon in Kitzbühel war der Hype ungebrochen, in Wien kam es zum Höhepunkt. Auch Turnierboss Herwig Straka rieb sich begeistert die Hände: Mit 66.350 Fans gab es einen neuen Besucherrekord. Dabei waren die Tage Freitag und Samstag schon vor dem Turnierstart ausverkauft gewesen. Auch ohne Thiem, der natürlich an den anderen Tagen ebenso Ticket-seller war. Aber vor allem am Samstag und Sonntag herrschte eine Stimmung, wie es sie beim Tennis in der Stadthalle noch nie gab. Dabei spielte das (Sommer-) Wetter noch nicht einmal mit. „An einem Tag, wo es draußen 24 Grad hat, ein Sonntag und in den Herbstferien – da hätten wir wahrscheinlich vor zehn Jahren zwei- oder dreitausend Leute in der Halle gehabt. Amsonntag kamen 9.000 Leute“, sagt Straka, seit zehn Jahren Turnierboss der Erste Bank Open. Thema war heuer aber auch der auslaufende Vertrag von Titelsponsor Erste Bank. „Die Tatsache, dass die Bank im Eishockey nach 17 Jahren aussteigt, hat aber nichts damit zu tun“, sagt Privatkundenvorstand Thomas Schaufler. Auch Rado wird ein verlässlicher Partner bleiben. Ein Baustein des Turniers in der Stadthalle war auch heuer wieder das Rado Pro-am-turnier im Wiener
BESUCHERREKORD.
Colony Club. Tennisgrößen wie Thomas Muster, Stefan Koubek, Clemens Trimmel, Hans Kary, Niki Hofmanova oder Marion Maruska zeigten ihr Können auf dem Court und schenkten denamateurennichts. Dochunterden prominenten Teilnehmern war der Ehrgeizebenfallsgroß: Fußball-legende Toni Polster, Ex-ski-star Lizz Görgl und Entertainer Tricky Niki zählten bereits zu den erprobten Teilnehmern und jagten die Filzkugel mehr oder weniger mit Bravour über’s Netz.
Die Zukunft ist gesichert. Neu verhandelt werden muss der Vertrag von Titelsponsor Erste Bank, der aber auch weiterhin im Sport aktiv bleiben will. Bleibt noch der Spielerwunsch für 2020: Bei dem deutschen Superstar Alexander Zverev etwa läuft ein Dreijahresvertraginbaselaus.„bisauf Roger Federer kann man alle auf die
HOFFNUNGEN.
Liste setzen. Rafael Nadal ist natürlich mein persönlicher Wunsch, der war noch nie in Wien“, wiederholte Turnierchef Herwig Straka den Wunsch nach einer Verpflichtung des spanischen Superstars. Auchandiefernezukunftwirdbereits gedacht. In einigen Jahren soll auch in einer neuen, multifunktionale Sporthalle gespielt werden. „Wir glauben daran, dass die Arena 2025 fertig ist“, sagt Wien-holding-direktor Kurt Gollowitzer. Derzeit läuft ein Architektenwettbewerb, danach wird man auch die Kostenfrage klären. „Die Halle wird ein Fassungsvermögen von mehr als 20.000 Zuschauern haben“, verspricht Gollowitzer.