LOBESHYMNE AUF THIEM
» Für einen, der über Jahre die Nummer eins im deutschen Herren-tennis gewesen ist, kann Philipp Kohlschreiber ein erstaunlich ruhiges Leben führen. „Wennich mich in einem Restaurant ankleckere, ist das Foto nicht sofort iminternet. Bei Boris Becker wäre das wahrscheinlich etwas Anderes“, sagt der 36-Jährige, der seit Jahren in Kitzbühel lebt. „In Österreich werde ich sogar fast öfter angesprochen als daheim in Deutschland.“
Was treibt Sie noch an? Philipp Kohlschreiber:
Mir ist klar, dass ich mich im Herbst meiner Karriere befinde, aber ich will das Ende so lange hinauszögern, wie es geht. Bei mir ist es ja inzwischen so: Ich muss nicht mehr, ich will – und das ist ein guter Zugang. Außerdem weiß ich, dass ich noch lange kein perfekter Tennisspieler bin, das werde ich auch nie werden.
Wie oft haben Sie sich in Ihrer Karriere neu erfinden und mit der Zeit gehen müssen?
Im Tennis hat man von Natur aus gewisse Stärken und Schwächen. Ich bin nicht der Größte und nicht der mit der meisten Power. Dafür habe ich andere Qualitäten: Kreativität, Schnelligkeit, Taktik. Wasichaber sicher sagen kann: dass ich heute ein viel besserer Tennisspieler bin als noch 2002 bei meinem Einstieg in die Tour. Viel kompletter, anders hätte ich mich auch nicht über all die Jahre da vorne halten können.
Sie waren lange die Nummer eins in Deutschland. Trotzdem hatte man den Eindruck, dass Sie in der öffentlichen Wahrnehmung untergegangen sind.
Stimmt, es hat jetzt bei mir nie zu einer Top-ten-platzierung gereicht, und vielleicht hatte ich auch nicht die absoluten Highlights. Aber umgekehrt bin ich auch nie richtig abgefallen. Und diese Konstanz, bei den vielen jungen Spielern, die jedes Jahr hereindrängen, macht mich stolz. Wissen Sie, was das Problem im Sport ist?
Sagen Sie’s uns.
Es wird immer nur der Superlativ gemessen. Man zählt nur die maximalen Erfolge auf und reduziert es darauf. Dannheißt’s: Aha, derhatjetztsoundsoviele Turniere gewonnen, das war seine höchste Platzierung. Ich glaube, dass manandersrum auch ein Lob aussprechen könnte für Leute, die konstant vorne dabei sind. So viele Spieler gibt es dann auch wieder nicht, die das erreicht haben.
Wenn Sie Ihren perfekten Tennisspieler zusammenstellen könnten, wie würde der denn aussehen?
Natürlich würde hier Roger Federer oft vorkommen. Ich finde, dass er von allen den besten Touch hat. Die Vorhand würde ich von Rafael Nadal nehmen, die Rückhand von Novak Djokovic, wenn’s denn eine beidhändige wäre. Bei einer einhändigen Rückhand würde ich sogar mich nominieren, damit ich auch vorkomme. Dazu den Aufschlag von Federer, das Kämpferherz von Nadal, die Beinarbeit des jüngeren Andy Murray. Wobei ich da auch Dominic Thiem schon ganz vorne sehe.
Weil Sie Dominic Thiem angesprochen haben: Was zeichnet ihn aus?
Ich verfolge seine Karriere schon sehr lange, wirsindauchbefreundetundoft gemeinsamimtrainingslager. Ichfinde, dass Dominic einen Vorbildcharakter hat, wie ich ihn so nochnicht oft gesehen habe.
Was meinen Sie?
Manmussdasjasosehen: Dominichat schon sehr früh sehr viel erreicht, und da prasselt dann natürlich viel auf einen ein. Die Erwartungshaltung, die Medien, die Aufmerksamkeit. Man könnte da auch leicht abheben. Aber Dominic ist da nicht nur down to earth, er ist sogar eine Stufe drunter. Er ist so bodenständig, so lieb, so nett, da können wir den Eltern ein Riesenkompliment machen. Dominic ist so normal geblieben, es ist toll für Österreich, so einen sympathischen Superstar zu haben. Er ist letztlich auch ein Vorbild für mich.
Waskannsichein36-jähriger voneinem 26-Jährigen abschauen?
Mitseiner Art, wie er sich gibt undauftritt, ist Dominiceinzigartig. Auchauf dem Platz. Diese Geilheit zu spielen, die er hat. Er freut sich immer so, dass er auf demplatz stehen darf. Mansieht ihm die Leichtigkeit an.
Für den bayrischen Routinier Philipp Kohlschreiber ist Dominic Thiem ein Vorbild: „Er ist so normal geblieben. Es ist toll für Österreich, so einen sympathischen Superstar zu haben.“