US OPEN THE AMERICAN DREAM
Siegerin Cori Gauff elektrisierte im Big Apple die Massen, sogar US-Präsident Joe Biden gratulierte. Novak Djokovic stellte indes den Rekord auf.
» Die New York Times widmete ihr die größte Sportgeschichte, Präsident Joe Biden gratulierte umgehend („Du hast das ganze Land elektrisiert“) und die Tennis-Fans in Amerika haben sowieso ihr neues Liebkind gefunden. Nicht nur in Flushing Meadows, nicht nur in New York.
Cori Gauff, die längst nur noch auf ihren Spitznamen Coco hört, hat sich zu einem Liebkind der US-Nation gemacht. Dass sie nach einem 2:6-6:36:2-Finalsieg über die Belarussin Aryna Sabalenka just ihren ersten GrandSlam-Titel beim größten Turnier der Heimat feiern durfte, gleicht dem viel zitierten American Dream.
„Wörter können nicht beschreiben, was es mir bedeutet“, sagte die 19-Jährige nach dem Sieg über die neue Nummer eins. Doch sie fand sie, die Wörter, die sie sinnvoll einsetzte: „Danke an alle, die nicht an mich geglaubt haben. Die, die gedacht haben, dass sie Wasser in mein Feuer schütten, sie haben nur Benzin hinzugefügt. Und jetzt brenne ich hell.“
NEUER HYPE. Wenn man sich auf die Suche nach einem ähnlichen Hype im Frauen-Tennis machen will, muss man im Geschichtsbuch schon etwas zurückblättern. Und zwar bis der NameWilliamserstmalsauftaucht.1999 schnappte sich nicht die damals im Spielniveau höher stehende Venus den US-Open-Titel, sondern die jüngere
SchwesterSerena.AusdemHypewurde, zumindest was Serena betrifft, eine angenehme Gewohnheit, denn die heute 41-Jährige siegte sechsmal, Schwester Venus, mit 43 noch immer aktiv, zweimal. Beide dürfen sich mitverantwortlich für Gauffs Triumph fühlen.„SiesindderGrund,warumich diese Trophäe habe. Sie haben mir erlaubt, an diesen Traum zu glauben, als ich aufwuchs.“
Als beide langsam aufhörten, große Titel zu holen, schlug mit Sloane Stephens 2017 zum bisher letzten Mal eine Amerikanerin zu. Ihr Titel war von der persönlichen Geschichte her emotional. Nach guten Jahren wurde Stephens durch Verletzungen zurückgeworfen, ehe sie in New York damals zur Sternstunde aufschlug. Im Ranking war sie weit hinten gewesen und bereits 24 Jahre alt.
Gauff ist 19. Und konsequent, jedoch nicht überschnell wie einst beispielsweise Martina Hingis, im Aufstieg. Der Weg nach oben begann 2019 in Wimbledon, als sie mit 15 ins Achtelfinale kam. Den ersten Titel gab es vier Monate später in Linz, wo sie – eigentlich bereits in der Qualifikation gescheitert – als Lucky Loserin den Titel holte. Neben knapp 35.000 Euro Preisgeld erhielt Gauff auch ein Dirndl zum Abschluss des Turniers.
Mit dem Preisgeld bei den US Open kann sich Gauff ein ganzes Modegeschäft kaufen. Drei Millionen »
Gauffs Triumph: Die Fan im Arthur Ashe Stadium waren aus dem Häuschen
Dollar (rund 2,7 Mio. Euro) gab es noch nie bei einem Grand-Slam-Turnier zu gewinnen. Und im Ranking kletterte sie von Platz sechs auf Rang drei. Wichtiger als das WTA-Ranking ist aber die neue Rolle als Vorbild. US-Vizepräsidentin Kamala Harris bezeichnete die Siegerin als „Inspiration für Millionen kleiner Mädchen“. Ob sie bereit sei, für das, was jetzt auf sie einprasseln werde, wurde Gauff gefragt. „Ich bin bereit“, sagte sie entschlossen, „ich weiß, wie ich meinen Frieden bewahre und alles aufsaugen kann.“
KINDHEITSTRAUM. Novak Djokovic machte einen Tag später seinen 24. Titel bei einem Tennis-Grand-SlamTurnier perfekt. Der Serbe setzte sich in einem hochklassigen Endspiel der US Open gegen den Russen Daniil Medwedew mit 6:3,7:6(5),6:3 durch. Damit zog der am Tag danach wieder als Nummer eins aufscheinende 36Jährige in der ewigen Major-Wertung mit der Führenden Margaret Court gleich, die in ihrer Karriere auch 24 Triumphe geschafft hat. Drei davon gelangen Djokovic in der laufenden Saison, hatte er doch zuvor schon bei den Australian Open und den French Open triumphiert. Nur in Wimbledon hatte es im Finale gegen den Spanier Carlos Alcaraz in einem FünfSatz-Krimi eine Niederlage gesetzt. Alle vier großen Turniere in einer Saison zu gewinnen, blieb ihm damit einmal mehr verwehrt. Am Tag nach dem Finale übernahm Nole von Alcaraz wieder die Führung im Ranking. „Ich hatte einen Kindheitstraum und wollte der beste Spieler der Welt werden. Ich habe mir niemals vorstellen können, hier zu stehen und über 24 Grand
Slams zu sprechen“, sagte Novak Djokovic am Court. Im Halbfinale hatte der 36-Jährige noch den Siegeslauf des damals noch 20jährigen Ben Shelton beendet. Dieser profitierte schon in der 2. Runde von der Aufgabe von Dominic Thiem, der in starker Form befindlich mit Magenproblemen nicht weiterspielen konnte. Top hingegen: der Vorarlberger Joel Schwärzler, der bei den Junioren ins Doppel-Finale kam.
– HARALD OTTAWA