Kurier Magazine - Tennis

„DIESES VORBILD MÖCHTE ICH SEIN“

Der Deutsche Alexander Zverev (26) über sein Leben mit Diabetes, das Niveau an der Weltspitze und sein Comeback-Jahr.

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» KURIER: Sie waren im Juni 2022 die Nummer zwei der Welt, als Sie sich die schwerste Verletzung Ihrer Karriere zuzogen. Was ging Ihnen durch den Kopf? Alexander Zverev: Ich habe den Moment kein bisschen genießen können. Sobald ich Nummer zwei der Welt war, brauchte ich einen Sieg, um Nummer eins zu werden. Innerhalb von drei Monaten hätte ich nur ein Match gewinnen müssen. Stellen Sie sich das vor! Aber ich lag mit Gips im Bett. Das war alles andere als ein Genuss. Ich war ganz oben und ein Match davon entfernt, wovon Millionen auf der Welt träumen. Natürlich möchte ich dorthin wieder zurück.

Sie haben 2020 in New York das bisher einzige Grand-Slam-Finale ihrer Karriere gegen Dominic Thiem verloren. Wie sehr hat sich Tennis seither verändert? Ich glaube, es gibt etwas mehr Möglichkei­ten an der Spitze. Es gab eine Zeit,inderNovak­Djokovic,RogerFeder­er und Rafael Nadal sehr dominiert haben. Ich glaube aber auch, dass es danach, zum Beispiel 2020 und 2021, eine Phase gab, in der Dominic, Daniil Medwedew, Novak und ich viel gewonnen haben und nah beieinande­r gewesen sind. Dann aber kamen bei allen Verletzung­en und das Tennis hat sich geöffnet. Es gab viele Chancen für andere Spieler.

Wie lange denken Sie an eine Niederlage in einem großen, wichtigen Spiel?

Es kommt darauf an, wie das Match verlaufen ist. Habe ich Chancen liegen gelassen? Dann suche ich natürlich nach einzelnen verpassten Möglichkei­ten. Aber ich habe oft gesagt, dass man im Tennis ein Kurzzeitge­dächtnis haben muss. Es spielt keine Rolle, ob du am Donnerstag in Tokio das Spiel deines Lebens gespielt oder versagt hast. Am Montag stehst du in Wien auf dem Center Court. Bei 0:0.

Sie sind einer der Stars der Szene und werden bei Turnieren immer wieder zu Nebenevent­s oder Sponsorter­minen geladen. Wie oft sagen Sie Nein?

Darf man Nein sagen? Ich glaube nicht. Natürlich würde ich mich noch lieber noch mehr auf Tennis konzentrie­ren. Das würden wir, glaube ich, alle. Wir würden auch alle mehr Urlaub wollen. Aber all das ist eben ein Teil unseres Jobs.

Im Vorjahr haben Sie auch Ihre DiabetesEr­krankung öffentlich gemacht. Gab es dafür einen Auslöser?

Ich habe mich in meinen jüngeren Jahren nicht wohlgefühl­t mit der Krankheit. Ich war sehr schüchtern und hätte gerne ein Vorbild gehabt. Und genau dieses Vorbild will nun ich sein. Vielleicht kann man es auch irgendwann als etwas Normales ansehen, Diabetiker zu sein.

War es für Sie als Spitzenspo­rtler schwierig, sich einzugeste­hen, dass man körperlich eine Schwäche hat? Natürlich möchte man lieber kein Diabetes haben. Aber ich habe es, seit ich vier Jahre alt bin. Ich kenne kein

Leben ohne Diabetes. Für mich ist es einfach eine Sache, auf die ich achten muss. Ich will dafür stehen, dass man mit Diabetes alles erreichen und ein normales Leben führen kann.

Diese Offenheit haben Sie auch gezeigt, alsSievore­inigerZeit­massivePro­bleme mit Ihrem Aufschlag hatten – eigentlich eine Waffe in Ihrem Spiel. Wie kamen Sie da wieder heraus?

Das ist ein Thema, mit dem ich mich seit sehr Langem schon nicht mehr beschäftig­t habe. Natürlich hilft Training, aber es ist nicht alles. Ich hatte damals eine turbulente Zeit abseits des Tennisplat­zes, ich hatte viel Stress in meinem Leben. Und es heißt ja, der zweite Aufschlag ist ein bisschen der Blick in die Seele eines Tennisspie­lers. Aber ich muss gestehen: Es ist eine Sache, mit der ich mich gerade nicht sehr beschäftig­en möchte. Weil, wenn man wieder beginnt, zu viel darüber nachzudenk­en, kann es sein, dass es wieder anfängt.

Entscheide­t in der absoluten Weltspitze wirklich vor allem das Mentale über Sieg oder Niederlage?

Alle, die zu den Top 5 der Welt gehören, müssen mental außergewöh­nlich stark sein. Der Kopf entscheide­t viel, aber nicht alles. Es gibt Wochen, in denen man einfach das Gefühl hat, alles passiert in Zeitlupe. Du nimmst den Ball größer wahr, hast mehr Zeit für jeden Schlag. Ein Gefühl, wo ich schon beim Einschlage­n weiß: Heute wird es schwierig für den Gegner. «

 ?? ?? Fast wieder ganz der Alte: Alexander Zverev nach seiner schweren Fußverletz­ung
Fast wieder ganz der Alte: Alexander Zverev nach seiner schweren Fußverletz­ung

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