IM ATELIER ZU HAUSE
Wohnen und Schaffen in Peking. Drei chinesische Künstler haben uns ihre Türen geöffnet.
Zu Besuch bei drei chinesischen Künstlern in Peking
» Der spätsommerliche Wind trägt den kühlen stein geruch durch ein zerbrochenes Fenster d erle erstehenden Fabrik. Ein loses Rohr stößt weißen Dampf aus und trübt vorbeigehenden für einen Moment die Sicht. Plötzlich versperren drei Dinosaurier in übereinander gestapelten roten Käfigen den Gehsteig. Weicht man ihnen aus, kann man schließlich in eine ruhige Gasse einbiegen. Inder ferne steht der Künstler Li Jiwei im Eingang seines Wohnateliers und winkt. Willkommenin798, der berühmtesten künstlerkolo nie pekings.„al sich hier eingezogen bin, hatten die Ateliers noch Löcher in den Decken“, erzählt der »
Österreicher mit chinesischen Wurzeln. 2002 zogen die ersten Kreativen in das ehemalige Industriegebiet im Nordosten Pekings. Diele erstehenden fabrik-und lagerhallen, die in den 1950 er- jahren von Ddr-ingenieuren gebaut wurden, lockten mit ihren hohen Decken und günstigen mieten.Lijiw ei serviert tee in seinem Arbeitszimmer, an das eine kleine Küche angeschlossen ist. Hier trifft der Künstler seine Partner, isst mit ihnen zu Mittag. Ein großes Bücherregal sorgt für eine wohnliche Stimmung. Weiter hinten befinden sich die beiden rund 300 Quadratmeter großen atelier räume, die früher als Lagerhallen für die umliegenden Fabriken genutzt wurden. Entlang der hohen wände hängen großformatige Bilder, futuristische Acrylglasmöbel sind im ganzen Raum verteilt.
ARBEITEN UND TRÄUMEN IM ATELIER.
Eine Holzstiege führt in Li Jiweis Schlafbereich, der als eigener Stock eingezogen wurde .„ in hohen räumen schläft man schlecht. Sie lassen zu viel Platz für Träume “, sagt er. Die Vorteile am wohnen inder künstler kolonie ?„ Wenn man im Atelier wohnt, kann man die Werke richtig zum Atmen bringen. Es hilft, wenn da kein Heimweg ist, der den Fokus bricht.“Außerdem sei es inspirierend, von anderen Künstlern umgeben zu sein. Und Kreative gibt es in der Künstlerkolonie 798 mit ihren rund 200 Galerien, Museen und Ateliers zuhauf. Das Viertel ist heute zum Symbol Chinas zeitgenössischer Kunstszene geworden. Davon profitiert auch der
Tourismussektor: Im Jahr 2017 kamen 4,5 Millionen Besucher hierher. Mit den Touristen kamen auch die Cafés, die design shops und schließlich die steigenden Mietpreise.
EIN DORF IN DER STADT.
In der Folge mussten sich immer mehr Kreative nach Alternativen umsehen. Peking, das größer ist als Oberösterreich und rund 20 Millionen Einwohner hat, kann als Wohnort zur Herausforderung werden. Viele suchen daher Wohnformen, die es ihnen erlauben – wie in einem Dorf in der Stadt – die Vorteile des urbanen Lebens mit einer überschaubaren Wohnsituation verbinden zu können. So auch Shi Jiongwen, die sich im Norden der Stadt ein Wohnatelier gemietet hat. Ein paar Häuser weiter ist eine Produktionsfirma untergebracht, um die Ecke ein großer Filmverleih, regelmäßig kommen Freunde und Kolleginnen auf Besuch. „Manchmal verlasse ich das Haus für eine ganze Woche nicht“, sagt shijiong wen undl acht, während sie durch ihr licht durch flut et es atelier führt. Wohn- und Arbeitsbereiche gehen hier fließend ineinander über. Beim Bezug vor zwei Jahren ließ die Künstlerin einen Zwischenstock einziehen. Im Obergeschoß sind Schlafzimmer und Badezimmer untergebracht, im Erdgeschoß befinden sich Atelier, Küche und Wohnzimmer. Eine große Glastür führt auf die Terrasse hinter dem Haus. Die räumliche nähe von wohnen und Arbeit stört Shi Jiongwen nicht. Im Gegenteil: „Selbst wenn ich versuche, nicht zu arbeiten, stehe ich wenig »
späterer st recht wieder mit dem pinsel in der Hand da.“Um einen Kontrast zu ihrem zurückgezogenen Künstlerdorf-leben zu finden, braucht die Künstlerin nicht lange zu suchen. Die blinkenden wolkenkratzer liegen nur eine paar Straßen entfernt.
PEKINGS ZWEITES GESICHT.
Doch nicht alle finden Inspiration im urbanen Gewirr von Licht und Lärm, im tosenden Fortschritt, der sich in Form von Verkehrskolonnen durch die Straßen Pekings schiebt. Der Maler FengLianghong hat seinen Wohnund arbeitsplatz schon vor drei jahren an den Rand der Hauptstadt verlegt. Gut 30 Kilometer vom Zentrum entfernt, wo sogar das ambitionierte U-bahnnetz seinen Anspruch auf vollständige Verkehrs anbindung aufgibt, liegt sein atelier. Die straßen hier sind staubig und von hohen Birkenalleen gesäumt. Gewächshäuser und altmodische wohnsiedlun gen wirken wie zufällig in die landschaft gestreut. Neben dem metallenen Eingangstor zu einem ebenerdigen Gebäude hat sich eine Gruppe Bauarbeiter zur Rast niedergelassen. Unter ihren Helmen hervor blinzeln sie in die Mittags- sonne. In diesem unscheinbaren Gebäude mit begrüntem Innenhof hat Feng Lianghong genau die richtigen Räume für sein Atelier gefunden. „Im Zentrum wäre es unmöglich, etwas in dieser Größe zu finden“, sagt Feng Lianghong über sein rund 400 Quadratmeter großes reich. Um mehr Tageslicht im Atelier zu haben, ließ er große Fenster ins Dach einbauen. Auf seiner Werkbank türmen sich Unmengen an Pinseln und Farbmischun gen. Direkt daneben steht der Tisch zum Essen und Teetrinken. Badezimmer und das Wohnzimmer mit Schlaf möglichkeit sind ebenfalls nur eine Türklinke entfernt. „Als Künstler ist man eben im Atelier zu Hause“, sagt der Maler und lacht.
FARBENSPIEL.
Draußen beginnt das Gelb der Sonne sich in Orange zu verwandeln. Das Grün der Pflanzen wirdintensiver. Fenglianghongzieht seinen Hocker vor das Fenster und beobachtet gebannt das Farbenspiel. Dann dreht er sich um, nimmt einen Pinsel zur Hand und beginnt zu malen. Und wird nicht mehr aufhören, bis er irgendwann im nächsten Raum übermüdet ins Bett fällt. «