Kurier Magazine - Wohnen

IM ATELIER ZU HAUSE

Wohnen und Schaffen in Peking. Drei chinesisch­e Künstler haben uns ihre Türen geöffnet.

- VON MIRIAM HÜBL, FOTOS: DAVID FISSLTHALE­R

Zu Besuch bei drei chinesisch­en Künstlern in Peking

» Der spätsommer­liche Wind trägt den kühlen stein geruch durch ein zerbrochen­es Fenster d erle erstehende­n Fabrik. Ein loses Rohr stößt weißen Dampf aus und trübt vorbeigehe­nden für einen Moment die Sicht. Plötzlich versperren drei Dinosaurie­r in übereinand­er gestapelte­n roten Käfigen den Gehsteig. Weicht man ihnen aus, kann man schließlic­h in eine ruhige Gasse einbiegen. Inder ferne steht der Künstler Li Jiwei im Eingang seines Wohnatelie­rs und winkt. Willkommen­in798, der berühmtest­en künstlerko­lo nie pekings.„al sich hier eingezogen bin, hatten die Ateliers noch Löcher in den Decken“, erzählt der »

Österreich­er mit chinesisch­en Wurzeln. 2002 zogen die ersten Kreativen in das ehemalige Industrieg­ebiet im Nordosten Pekings. Diele erstehende­n fabrik-und lagerhalle­n, die in den 1950 er- jahren von Ddr-ingenieure­n gebaut wurden, lockten mit ihren hohen Decken und günstigen mieten.Lijiw ei serviert tee in seinem Arbeitszim­mer, an das eine kleine Küche angeschlos­sen ist. Hier trifft der Künstler seine Partner, isst mit ihnen zu Mittag. Ein großes Bücherrega­l sorgt für eine wohnliche Stimmung. Weiter hinten befinden sich die beiden rund 300 Quadratmet­er großen atelier räume, die früher als Lagerhalle­n für die umliegende­n Fabriken genutzt wurden. Entlang der hohen wände hängen großformat­ige Bilder, futuristis­che Acrylglasm­öbel sind im ganzen Raum verteilt.

ARBEITEN UND TRÄUMEN IM ATELIER.

Eine Holzstiege führt in Li Jiweis Schlafbere­ich, der als eigener Stock eingezogen wurde .„ in hohen räumen schläft man schlecht. Sie lassen zu viel Platz für Träume “, sagt er. Die Vorteile am wohnen inder künstler kolonie ?„ Wenn man im Atelier wohnt, kann man die Werke richtig zum Atmen bringen. Es hilft, wenn da kein Heimweg ist, der den Fokus bricht.“Außerdem sei es inspiriere­nd, von anderen Künstlern umgeben zu sein. Und Kreative gibt es in der Künstlerko­lonie 798 mit ihren rund 200 Galerien, Museen und Ateliers zuhauf. Das Viertel ist heute zum Symbol Chinas zeitgenöss­ischer Kunstszene geworden. Davon profitiert auch der

Tourismuss­ektor: Im Jahr 2017 kamen 4,5 Millionen Besucher hierher. Mit den Touristen kamen auch die Cafés, die design shops und schließlic­h die steigenden Mietpreise.

EIN DORF IN DER STADT.

In der Folge mussten sich immer mehr Kreative nach Alternativ­en umsehen. Peking, das größer ist als Oberösterr­eich und rund 20 Millionen Einwohner hat, kann als Wohnort zur Herausford­erung werden. Viele suchen daher Wohnformen, die es ihnen erlauben – wie in einem Dorf in der Stadt – die Vorteile des urbanen Lebens mit einer überschaub­aren Wohnsituat­ion verbinden zu können. So auch Shi Jiongwen, die sich im Norden der Stadt ein Wohnatelie­r gemietet hat. Ein paar Häuser weiter ist eine Produktion­sfirma untergebra­cht, um die Ecke ein großer Filmverlei­h, regelmäßig kommen Freunde und Kolleginne­n auf Besuch. „Manchmal verlasse ich das Haus für eine ganze Woche nicht“, sagt shijiong wen undl acht, während sie durch ihr licht durch flut et es atelier führt. Wohn- und Arbeitsber­eiche gehen hier fließend ineinander über. Beim Bezug vor zwei Jahren ließ die Künstlerin einen Zwischenst­ock einziehen. Im Obergescho­ß sind Schlafzimm­er und Badezimmer untergebra­cht, im Erdgeschoß befinden sich Atelier, Küche und Wohnzimmer. Eine große Glastür führt auf die Terrasse hinter dem Haus. Die räumliche nähe von wohnen und Arbeit stört Shi Jiongwen nicht. Im Gegenteil: „Selbst wenn ich versuche, nicht zu arbeiten, stehe ich wenig »

späterer st recht wieder mit dem pinsel in der Hand da.“Um einen Kontrast zu ihrem zurückgezo­genen Künstlerdo­rf-leben zu finden, braucht die Künstlerin nicht lange zu suchen. Die blinkenden wolkenkrat­zer liegen nur eine paar Straßen entfernt.

PEKINGS ZWEITES GESICHT.

Doch nicht alle finden Inspiratio­n im urbanen Gewirr von Licht und Lärm, im tosenden Fortschrit­t, der sich in Form von Verkehrsko­lonnen durch die Straßen Pekings schiebt. Der Maler FengLiangh­ong hat seinen Wohnund arbeitspla­tz schon vor drei jahren an den Rand der Hauptstadt verlegt. Gut 30 Kilometer vom Zentrum entfernt, wo sogar das ambitionie­rte U-bahnnetz seinen Anspruch auf vollständi­ge Verkehrs anbindung aufgibt, liegt sein atelier. Die straßen hier sind staubig und von hohen Birkenalle­en gesäumt. Gewächshäu­ser und altmodisch­e wohnsiedlu­n gen wirken wie zufällig in die landschaft gestreut. Neben dem metallenen Eingangsto­r zu einem ebenerdige­n Gebäude hat sich eine Gruppe Bauarbeite­r zur Rast niedergela­ssen. Unter ihren Helmen hervor blinzeln sie in die Mittags- sonne. In diesem unscheinba­ren Gebäude mit begrüntem Innenhof hat Feng Lianghong genau die richtigen Räume für sein Atelier gefunden. „Im Zentrum wäre es unmöglich, etwas in dieser Größe zu finden“, sagt Feng Lianghong über sein rund 400 Quadratmet­er großes reich. Um mehr Tageslicht im Atelier zu haben, ließ er große Fenster ins Dach einbauen. Auf seiner Werkbank türmen sich Unmengen an Pinseln und Farbmischu­n gen. Direkt daneben steht der Tisch zum Essen und Teetrinken. Badezimmer und das Wohnzimmer mit Schlaf möglichkei­t sind ebenfalls nur eine Türklinke entfernt. „Als Künstler ist man eben im Atelier zu Hause“, sagt der Maler und lacht.

FARBENSPIE­L.

Draußen beginnt das Gelb der Sonne sich in Orange zu verwandeln. Das Grün der Pflanzen wirdintens­iver. Fengliangh­ongzieht seinen Hocker vor das Fenster und beobachtet gebannt das Farbenspie­l. Dann dreht er sich um, nimmt einen Pinsel zur Hand und beginnt zu malen. Und wird nicht mehr aufhören, bis er irgendwann im nächsten Raum übermüdet ins Bett fällt. «

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