20er - JAHRE
schwarzes Charleston-kleid und ebensolche Spangenschuhe. Er eine weinrote Krawatte zu blütenweißem Hemd und dunkler Anzughose. Ein Gilet darf natürlich nicht fehlen. Die Sonne lässt das satte Türkis strahlen. Die weißen Fensterrahmen und das warme Ziegelrot des Daches stehen in perfektemkontrast zu der auffälligen Fassadenfarbe. Man fühlt sich ein wenig wie zu Besuch beim „großen Gatsby“, obwohl: „Schreib nicht, dass esbeiunsaussiehtwieindengoldenen 20er-jahren“, sagt Martin. „Diese Epoche war alles, nur nicht golden.“
Margit und Martin sind dem Jahrzehnt dennoch verfallen – und zwar so sehr, dass sie leben wie in den 20er-jahren. Das zieht sich von derkleidungbiszuihremzuhause. Sie habenes eigenhändigerbaut. Alsvorbild dienten ihnen die Us-amerikanischen Holzhäuser der Jahrhundertwende. „Das passt nicht ganz zusammen“, gibt Margit zu. „Aber der Einfluss des Bauhaus hat die Architektur der 20er-jahre zu glatt gemacht, das gefiel uns nicht.“Margits architektonischer Traum wäre überhaupt eine kleine Jugendstilvilla mit Freitreppe gewesen. „Aber das ist sich auf dem schmalen Grundstück einfach nicht ausgegangen“, sagt sie und lacht. Martin öffnet die Haustüre und bittet ins Innere. Durch einen kleinen Vorraum gelangt man in den WohnKoch-essbereich. „Hätten wir die Raumaufteilung nach dem Vorbild der amerikanischen Häuser der Jahrhundertwende gemacht, müsste jedes Zimmer für sich und abgeschlossen sein“, erzählt Martin.„aberdafür sind wir einfach zu gesellig.“Die Schweds ladengernegesellschafteninihrhaus ein, Margit kocht dann für alle und möchte nicht abgeschieden in der Küche sein. „Der Herd ist eindeutig daszentrumunsereshauses“, sagtsie. Aproposherd: Einengas-, E- odergar Induktionsherd sucht man hier vergeblich. Mitten im Wohnzimmer steht ein gemauerter Herd, der mit Holz befeuert wird. „Errungenschaften der Moderne brauchen wir hier nicht“, betont Margit. „Wir haben keinen Fernseher, keine elektrischen Haushaltsgeräte, nicht einmal einen Mixer.“Sie macht eine kurze Pause, bevor sie zugibt, dass es eine Waschmaschine gäbe, aber: „Die ist »
TIEFE LIEBE.
zumindest aus den 50er-jahren und läuft noch bestens.“Auf dem Fensterbrett imwohnzimmer versteckt sich noch ein weiteres modernes Gerät untereinemweißengehäkeltendeckchen, ein Satellitenradio. Die Schweds hören nur Musik der 20er-jahre und der einzige Sender, der diese Schiene bedient, ist nur so zu empfangen.
Auf den Kredenzen geben sich kleine Blechdosen, bauchige Vasen, Statuen, vergilbtefotosundhausratvergangener Tage ein Stelldichein. Es sind Stillleben, liebevoll arrangierte Kunstwerke. Jedes Stück hier erzählt eine kleinegeschichte.„dasspeisezimmer haben wir zufällig bekommen“, erzähltmartinundstreicht fast liebevoll mit der Hand über die Tischplatte. „Freunde haben uns gebeten, ob wir die Wohnung einer verstorbenen Tantefürsie räumenkönnten– undda ist es gestanden, versteckt unter den Stapeln Tausender Zeitungen.“Das kleinepianoanderwandisthingegen aus einem aufgelassenen Stummfilmkino. Die beiden Vitrinen beim Eingangzumwohnbereichstammenaus einer Verlassenschaft. Und das große Kreuz, das in einer Ecke hängt, hat Martin im Schutt eines Abrisshauses gefunden. „Ich bin zwar nicht gläubig“, sagt er, „aber das war doch pietätlos.“Also findet sich im »
ÜBER JAHRE GESAMMELT.
Haus der Schweds jetzt eben auch ein Herrgottswinkel. Nicht alle Möbel sind Originale. Die Schränke unter der Fensterfrontrichtung Veranda etwa hat Martin selbst gebaut. „Da hätte sonst nichts hingepasst, die musste ich maßtischlern“, erzählt er. „Aber das gesamte Holz, das ich dafür verwendet habe, ist alt.“ Denn wann immer Martin an einem alten Abrisshaus vorbeikommt, nimmt er brauchbare Baustoffe mit, die sonst auf einer Deponie enden würden. So fanden auch die blauen Kacheln vom Herd ihren Weg ins Haus der Schweds. Die OrnamentLeisten knapp unter der Balkendecke sind natürlich ebenfalls nicht alt. Sie sind Margits Werk. „In einem alten Haus in Kritzendorf habe ich Original-schablonen aus den 20er-jahren gefunden“, erzähltsievollerstolz.„ich arbeite aber auch mit Vorlagen aus Büchern und schnitze mir die Schablonen selbst.“Bis zu einer Stunde benötigt sie pro Meter – aber Leidenschaftkenntnuneinmalkeinezeit. »
Alles riecht noch ganz frisch. Diehandwerkersindnachmonatelanger Arbeit gerade erst fertig geworden – sie haben Böden und Türen abgeschliffen, lackiert, ausgemalt und tapeziert. Jetzt steht Maria Maager überglücklich in ihren neuen Wohnung und fiebert dem Umzug entgegen. Sie wohnt noch gar nicht hier. Bevor sie das erste Mal hier schläft, möchtesie nochdetailsbesorgen: Es fehlen noch eine Bogenlampe imwohnzimmer, Bilderundvorhänge. Besondersinsaugestechendiefarbenfrohentapeten, die dasherzstück der Altbauwohnung im 7. Wiener Bezirk verkörpern. „Für mich war klar, dass ich Tapeten möchte“, sagt die 37-Jährige. Mit den Vintage-möbelstücken, die ihr gut gefallen haben, hat sich als logische Folgerung der Stil der 50er-jahre ergeben, da dieser gut zudentapetenpasse. Gemeinsammit einer befreundeten Innenausstatterin hat sie das Konzept erarbeitet und die Wiener Vintageläden nach Fundstücken durchstöbert, denn aus der alten Wohnung soll kein einziges Möbelstück mitübersiedeln.
ZEITSPRUNG.
Auchwenn eines der Zimmer in Pastellrosa ausgemalt ist, möchtemaria dennoch nicht, dass die Wohnung zumädchenhaft erscheint. Wilde Muster und bunte Motive prägen den Wohnstil der Selbstständigen, der es wichtig ist, dass die Wohnungaufgrund der auffälligenwandgestaltung luftig bleibt. „Es wäre verlockend, nochmehrmöbelstückehinzustellen, aber ich habe mir gedacht, ich muss runterfahren“, sagt sie. Auf ihre Lieblingsstücke wie einen Original orangefarbenen Arne-jacobsenStuhl von Lichterloh, eine Kommode des tschechischen Designers Jiří Jiroutekundeinenlusterausderglasfabrik ist sie besonders stolz. Da ist es auch nicht so schlimm, wennmanden Möbeln ihr Leben vor ihrem jetzigen Besitzer ansieht. „Die Vintagemöbel vermitteln Lebensgefühl, aber besonders dielampenmussmanaufwendig schrubben“, sagt die Wienerin lächelnd. Auchwennviele alte Möbel und Designerstücke den Flair der 50er-jahre in die Wohnung holen, hat Maria auch einigesneues und setzt dabei auf Mix and Match. „Man kann sich ruhig trauen, ein paar »
BUNTUNDWILD.