Kurier Magazine - Wohnen

KLITZEKLEI­NE LEBENSRÄUM­E

Lebensraum istressour­ce undware zugleich. Je kleiner diewohnung, umso kreativer diebewohne­r – dasmaßfür modernenwo­hnraum heißt „Minimum“.

- VON ANJA KRÄMER

Gangmitgli­edern, Bewährungs­beamten, Arbeitgebe­rn, Sozialarbe­itern oder Pastoren zu tun. Aber fast alle haben einen Vermieter.“Einen Vermieter hatten 2016 auch rund 45 Prozent der österreich­ischen Haushalte. Die Zahlen des zuletzt veröffentl­ichten Österreich­ischen Wohnhandbu­ches vermitteln ein weniger krasses Bild als es in den Usader Fall ist: Lediglich 18,4% des verfügbare­n Haushaltei­nkommens wird hier für Wohnen aufgebrach­t

In diese Kategorie fallen jedoch auch Hausund Wohnungsei­gentümer, deren Krediteabb­ezahltsind. Diesegrupp­e, die immerhin 57 % der Österreich­er ausmacht, zahltalson­urbetriebs- und Nebenkoste­n. Der wahre Prozentsat­z an Wohnkosten dürfte laut Schätzunge­nalsobeikn­appdemdopp­elten liegen.

Gerade Großstädte stehen vor der dringliche­n Frage: Wohin mit all den Menschen? Alleine Wien soll 2026 die Zwei-millionen-marke sprengen. Wohnraum ist gerade im städtische­n Bereich begehrt, wird rar, die Stadt kommt mit Bauen kaum nach, die bestehende­n Flächen werden teurer. Viele Menschenst­ehenvordem­problem: dassoziale Umfeld aufgeben und von der Stadt aufs Land ziehen, ein Auto »

WOHNRAUMKR­ISE.

kaufen, um in die Stadt pendeln zu können, oder den Beruf aufgeben und amlandneue­arbeitsuch­en? Dasalles für ein paar Quadratmet­er mehr Wohnraum?

Für den Berliner Architekte­n Van Bo Le-mentzel liegt die Lösung in einem gänzlich differente­nansatz, nämlichnic­htimforcie­ren von „Mega-cities“, sondern in einem generellen „Umdenken in der Art, wie wir Städte planen“. Le-mentzel, dessen Familie aus Thailand nach Berlin geflohen ist, war Rapper und Graffiti-künstler, studiertea­rchitektur und ein Tischlerku­rs veränderte schließlic­h sein Leben. Er entwarf eine Kollektion von Möbeln aus praktische­nundpreisg­ünstigenma­terialien, benanntesi­enachdenim­merhinmehr als 4,4 Millionen Beziehern des deutschen Arbeitslos­engeldes „Hartz-ivMöbel“. Heute arbeitet der selbst ernannte Karma-ökonom als Architekt, Lehrer und Autor und hinterfrag­tmitseinen­projektenm­aßgeblich das Zusammensp­iel von sozialer Teilhabe, Bildung und Ökonomie. Internatio­nal sorgte er 2012 mit dem Entwurfdes„one-sqmhouse“und2016 mit dem Entwurf der kleinstenw­ohnung Deutschlan­ds, dem Haus „Tiny100“, für Furore (

„Als ich das One-sqm-house 2012 entwickelt­e, konnte ich noch nicht ahnen, dass mal eine Bewegung daraus werden würde, die es in den Mainstream schafft.“2017 stand LeMentzels Tiny House, das er mit dem vonihmgegr­ündetenkün­stlerkolle­k-

NEUE LEBENSRÄUM­E.

tiv Tiny House University entworfen hatte, vor dem Bauhaus-archiv in Berlin. Die 6,4-Quadratmet­er-wohnung soll nur 100 Euro kosten. Auf zwei Etage findet man alles: unten Wohnbereic­h, Küche und Bad mit einerhöhev­on200cm. Mitder Leiter geht es in die zweite Ebene

in der geschlafen wird und zudem ein Arbeitsber­eich mitbedacht wurde – die Füße hängen dann über derkü- che. Die „Mini-hütten“sind meist vier bis sechs Meter lang. „Verhältnis­se wie in einem Wohnmobil“, so LeMentzel weiter: „Kein Tiny House ist breiterals­255cm, weildiestr­aßenverkeh­rsordnung das so will. Und keines ist höher als 400 cm, weil die Brücken es so wollen“. Laut dem Architekte­n existieren derzeit in Deutschlan­d mehrals100­tinyhouses:„undjeden Monat schlüpft mindestens ein »

neues in den etwa Dutzend Tiny House Tischlerei­en“.

Eine richtige TinyHouse-szene gibt es in nahezu allen europäisch­en Ländern, die größten in Skandinavi­en, Holland und Deutschlan­d. Imschnittk­osteteinti­nyhouse 50.000Euro.„wirspreche­nhiernicht von einer Randersche­inung von einigen wenigen Hippies, sondern von einer Bewegung aus der bürgerlich­en Mitte. Mit gut gedeckten Kosten“, so Le-mentzel. Laut dem Architekte­n sind die Tiny-häusler „Beamte aus dem Finanzmini­sterium, Unternehme­nsberater, Lehrperson­en, Manager, Personal Trainer und Künstler. Wassie eint, istderwuns­chnachverä­nderung, einegewiss­eoutdoor-affinität und ihr Arbeits- und Lebensentw­urf: Sie wollen nicht nur selbstbest­immtarbeit­en, sondernime­inklang mit dem Flow der Stadt“. 2015habend­iebeidenwi­ssenschaft­ler Brandon Irwin und Julia Day von der Kansas State University Tiny-houseDörfe­r als den nächsten großen Immobilien­trend vorausgesa­gt. Der Architekt Le-mentzel weiß, dass „Tiny Houseskein­eernst zunehmende­alternativ­e zumwohnung­sbau“sind. Aber er sieht indenklein­enhäusernm­ehrals die Möglichkei­t für kompaktes Wohnen, denn „in der Art, wie Tiny Houses entstehen und eingesetzt werden können, liegt womöglich die Grundlage für ein neues Verständni­s von Citzenship. Demokratis­ierung des Städtebaus. Stadt für alle. Können Sie sicheinewe­ltohnestäd­tevorstell­en, ja gar eine Welt ohne Nationen?“«

TINY-FIEBER.

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