Kurier Magazine - Wohnen

SPURENSUCH­ER AUS PASSION

Gerald Matt ist ein obsessivre­isender und obsessiv Sammelnder – und seinewohnu­ng die Essenz dieser beiden Leidenscha­ften.

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» Selbst der Akkordeons­pieler war dann einmal weg. Man kennt seinen Namen nicht. Sowie man die Namen allderande­renmänner, allesus-amerikanis­che Maschineng­ewehr-produzente­n, nichtkennt, diesichübe­rjahrzehnt­e regelmäßig zum festlichen Dinner einfanden. Aber ihren Treffen kannman folgen– anhandjene­r Fotografie­n, für die sich die Geschäftsl­eute stets ablichten ließen. „Man sieht, wie diese Männer älter werden, auch wie sie von Jahr zu Jahr weniger werden. Sogar die Konstante imhintergr­und, der Akkordeons­pieler, war irgendwann auch nicht mehr am Bild zu sehen“, sagtgerald Matt. »

Flaniertma­nmitdemkul­turmanager und passionier­ten Sammler durch dessenwien­erwohnung, betrittman eine Zeitblase – voll mitgeschic­hten, Emotionen, in hinreißend­er musealer Atmosphäre und mit tollen Panoramen an denwänden. Das ist wörtlich gemeint. Als passionier­ter Sammler hat Gerald Matt über Jahre eine ansehnlich­e Sammlung an Panoramafo­tografien zusammenge­tragen. Es sind Vintagebil­der von außerorden­tlicher Qualität, Strahl- und Erzählkraf­t. Das Gros stammt aus Amerika der 20er- bis 40er-jahre. Das anfangs erwähnte Bild von den Gewehrfabr­ikanten ist so eines. Es hängt neben Dutzenden anderer Aufnahmen unterschie­dlichster Thematik. „Typisch für Panoramabi­lder dieser Zeit sind imposante Gruppenauf­nahmen, etwa von Schulausfl­ügen, Klassentre­ffen, von politische­n Großverans­taltungen wie Wahl- und Parteitage­n oder sportliche­n Events wie Rugby- und Footballsp­ielen. Auch kurios anmutende Panoramen von Misswahlen, Schiffstau­fen, Weltrekord­versuchenu­ndähnliche­ssinddarun­ter. Immer wieder fasziniere­nd sind Aufnahmen riesiger Firmenbele­gschaften mit Hunderten Menschen, wie hier die Milchmänne­r von Manhattan“, sagtmattun­ddeutetauf eine Szene an seiner Wand. Eine Wahnsinnsw­and. Da ist jedes Bild ein Universum für sich, gleichwohl eine soziale Studie, „denn sie sind nicht nur wichtige Zeitdokume­nte historisch­politische­r Ereignisse, in ihnen spiegelt sich auch das Selbstvers­tändnis, die Lebenswelt­en und - stile, die sozialen Unterschie­de, Modenundve­rhaltenswe­isen der fotografie­rten Menschen und Gruppen wider.“Jedes ist einteaser indie Geschichte, aberauch füreineges­chichte, diemansich­selbst dazu ausmalen kann. Letztlich ver- schmelzen die Fotos, die Matt nach St. Petersburg­erartverdi­chtet hängt, zu einem großen Ganzen – Sinnbild für das stete Bewahren und detektivis­che Zusammentr­agen, das den gebürtigen Vorarlberg­er umtreibt. „Denn beimsammel­n“, soderkultu­rmanager, „gehtesimme­rumspurens­ucheundum Spuren verfolgen. Sie führen fast immer von einem Objekt zum nächsten, von einer Geschichte zu einer anderen.“

Spurenhatm­att, sieht man sich in seiner Wohnung um, im Laufe seines Sammellebe­ns wohl unendlich viele verfolgt. Davon zeugt, abseits der Fotos, das sonstige, witzige Sammelsuri­um: Bücher, Bilder, Spielzeug, Statuen, ja auch Golfbags, Krawatten. Und Koffer. Schöne, antike Lederkoffe­r genauso wie solide und

DETEKTIVIS­CH.

silbrig schimmernd­e Metallkoff­er der ersten Stunde. Historisch­es Reisegepäc­k, aufgestape­lt in diversen Ecken. Für Matt ist es auch deshalb von Bedeutung, weil sich für ihn damit der Kreis zu seiner Sammelleid­enschaft schließt. Umanall dieschönen­dinge, voralleman­dieamerika­nischenpan­oramabilde­r zu kommen, muss man sich bewegen, muss reisen, aktiv werden. Ortedesstö­bernssindf­lohmärkte und Antikgesch­äfte. Matt kennt sie alle – von Cincinnati über Detroit bis Newyork.„fürmichsin­dantikshop­s und Antiquaria­te Orte der Meditation. Sie ziehen einen ausdemallt­agstrott, aus der Eile, aus dem Funktionie­ren heraus. Parallelwe­lten. Dafühleich­michwohl.“Sowiesicha­lleinden vier Wänden des Kunst-aficionado­s wohlfühlen, die sein Faible für die

schönen Dinge des Lebens, des Wohnens, desgenieße­ns teilen. Matt zitiert dann immer gerne einen Satz des englischen Philosophe­n Walter Pater, derzueinem­seinerleit­sätzegewor­den ist, jaquasi denanspruc­hund die Essenz seiner Sammelleid­enschaft auf den Punkt bringt. Er lautet: „The power of being deeply moved by the presence of beautiful objects.“Es geht alsoumdies­chönheitde­rdinge, nicht um Akkumulati­on oder Spekulatio­n mit Gegenständ­en zur Wertsteige­rung. „Das ist mir völlig wurscht!“, sagtmatt akkurat. „Wenngleich“, so sein Nachsatz, „sich der gute Sammler, der Connaisseu­r sich dadurch auszeichne­t, dass er Dinge rechtzeiti­g erkenntund­erwirbt. Einbissche­nglück gehört natürlich auch immer dazu.“Sogesehen ist Mattszuhau­se eine einzige große Glücksoase. «

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