Was wollen wir da draußen?
Weltraumforschung. Forscher entdecken einen „größeren und älteren Cousin der Erde“und jubeln über erste Nahaufnahmen vom Zwergplaneten Pluto. Warum die milliardenteuren Ausflüge ins All das Leben auf der Erde leichter machen.
Kleines Gedankenexperiment gefällig? Stellen Sie sich vor, wir würden Ihnen für einen Tag all die Dinge wegnehmen, die wir der Raumfahrt verdanken: Sie stünden schon mit fürchterlichen Kreuzschmerzen auf (keine Spezialschaum-Matratze). Im Haus wäre es kalt, Warmwasser gäbe es auch nicht (keine Solarzellen auf dem Dach). Ihre Sportschuhe blieben heute offen (kein Klettverschluss) und ihre Kleidung wäre falsch gewählt (keine Wettervorhersage). Das Handy bliebe stumm, genauso das GPS im Auto. Und auch der Börsenhandel stünde still (keine Satelliten- kommunikation). Die Brille würde drücken (keine dehnbaren Fassungen). Bei der Kassa imSupermarkt würden sich Schlangen bilden, weil der Strichcode auf den Waren wieder abgeschafft wäre. Auch die abendliche LiveÜbertragung des FußballMatches Ihres Lieblingsclubs könnten Sie vergessen (noch immer keine Satellitenkommunikation). Vielleicht wäre Ihnen das aber ohnedies egal, weil Sie bereits tot wären. Denn auch der Herzschrittmacher ist eine Errungenschaft der Raumfahrt.
Jan Wörner, der neue Chef der Europäischen Raumfahrtorganisation ESA, entgegnet Kritikern, die Weltraumforschung für Geldver- schwendung halten, gerne, „dass wir keinen Euro in den Weltraum bringen, sondern in Technologien und Experimente. Und dass die Ergebnisse der Missionen allen auf der Erde zugute kommen.“Das Entscheidende für ihn ist aber: „Die Neugier. So wie wir vor vielen Tausend Jahren unsere Höhlen verlassen haben, um die Welt zu erkunden, so ist es nur natürlich, dass wir die Erde verlassen, um den Weltraum friedlich zu nutzen.“
Die Eroberung des Weltraums ist tatsächlich ein uralter Traum der Menschheit. Schon im 13. Jahrhundert gab es in China erste Versuche mit Flugkörpern, die von Schwarzpulver angetrieben wurden. Doch erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts machte die Raketenforschung gewaltige Fortschritte. Wie so oft spielten bei der Entwicklung militärische und machtpolitische Aspekte eine entscheidende Rolle.
Viele Jahre stagnierte diese Neugier – auch aus Geldmangel. Doch jetzt gibt es einen neuen Schub, auch bedingt durch neue Weltraumnationen: Zu den USA, Russland und Europa gesellt sich neuerdings China, das für 2017 einen bemannten Mondflug plant. Und als vierte Nation will Indien 2025 dort landen. Das Wissenschaftsmagazin National Geographic diagnostiziert bereits ein „goldenes Zeitalter der Raumfahrt“. Dabei sei es völlig un- gewiss, welchen Nutzen Missionen wie jene zum Pluto der Menschheit bringen werden. Aber die Früchte ließen sich auch früher immer erst im Nachhinein ernten.
„Wir Menschen sind Entdecker“, sagt der deutsche ISS-Astronaut Alexander Gerst. „Sobald wir Schiffe bauen konnten, sind wir hinter den Horizont gesegelt. Jetzt können wir Raumschiffe bauen, also f liegen wir ins All.“
Dass die Menschheit allein der hehren Wissenschaft verpflichtet sei, stimmt aber natürlich auch nicht: Man will Geld verdienen. Auch in Österreich. Es gibt kaum mehr eine Mission der NASA oder ESA, die ohne heimisches Know-how durchgeführt wird. Die Republik investiert jährlich 65 Millionen Euro in Weltraumtechnologien und -forschung. 50 österreichische Raumfahrtunternehmen, die um die 1000 Arbeitsplätze sichern, sprechen für sich.
International wollen private Weltraum-Firmen aus der Rohstoff-Knappheit Kapital schlagen. Die Menschheit sei schon bald gezwungen, neue Quellen dafür zu erschließen. Diese könnten auf dem Mond liegen. So begründet Russland seine Pläne für eine Mondstation unter anderem mit der Vorbereitung eines industriellen Abbaues von Helium-3 ab 2020. Diese Form des Edelgases eignet sich zum Einsatz in künftigen Fusionsreaktoren, kommtaberauf der Erde so gut wie gar nicht vor. Es gibt auch Ideen, metallreiche Asteroiden anzuzapfen, um seltene Elemente zu gewinnen.
Zukunftsmusik, zugegeben. Aber nicht unrealistisch.
„Das All erobern“
Prominente Unterstützung für den Aufbruch ins All kommt von Stephen Hawking. „Ich glaube, dass wir keine 1000 Jahre mehr überleben, wenn wir zuvor nicht von diesem zerbrechlichen Planeten f lüchten“, sagt der britische Physiker. Egal ob AsteroidenEinschlag oder Atomkrieg – früher oder später drohe uns die Vernichtung. „Der Mensch hat nur eine Zukunft, wenn er das All erobert.“
Und damit wären wir endgültig bei der Kepler-Mission und der Suche nach einer zweiten Erde, der wir – glauben wir den NASA-Forschern – jetzt wieder einen Schritt näher gerückt sind.