Tsipras’ gut betuchte Marxisten
In der radikalen Syriza-Partei tummeln sich einige „linke Aristokraten“mit viel Geld
Stellt man sich den typischen Marxisten als jemanden vor, der auf Materielles keinen Wert legt, dann würde man ihn in manchen der prominentesten griechischen Syriza-Politiker nicht erkennen. Einige von ihnen kommen aus recht wohlhabenden Häusern, andere haben sich aus eigener Kraft hochgearbeitet.
Das Paradebeispiel dafür: Ex-Finanzminister Yanis Varoufakis. In der Syriza-Regierung wurde er schnell zum Medienstar – als cooler Typ mit glatt rasiertem Kopf, schwarzer Lederjacke, dunklen Hemden, die er nur ungern in die Hose steckt, und flotten Sprüchen. „Meine Ansichten über die Welt von heute sind durch Karl Marx geprägt – seit meiner Kindheit bis heute noch“, sagte er über sich bei BBC. Der junge Varoufakis habe aber eine schöne Kindheit genossen im Haus von Vater Giorgos Varoufakis, dem Vorstandsvorsitzenden des großen griechischen Stahlproduzenten Halyvourgiki. Yanis hat in Großbritannien studiert und in Australien und den USA unterrichtet. Vor seiner Syriza-Karriere war er an der texanischen Universität Austin tätig.
Dazu hat Varoufakis gut geheiratet. Seine zweite Gattin Danae Stratou kommt aus einer der ältesten und reichsten griechischen Familien, die ihr Kapital der Baumwollindustrie verdankt. Deren beider Appartement mit Dachterrassen-Blick auf die Akropolis wurde durch Homestory-Bilder in einem Magazin berühmt.
„Sir“Tsakalotos
Es war aber ein anderer Syriza-Politiker, für den die griechischen Medien den Begriff „linker Aristokrat“prägten – Euklid Tsakalotos, der vor Kurzem Varoufakis als Finanzminister abgelöst hat. Nichts an seinem Äußeren spricht über seine Herkunft. Er zeigt sich oft in zerknitterten, locker hängenden Sakkos und hat eine gutmütige, oft erschöpfte Miene. 1960 wurde er in Rotterdam in die Familie von Stefanos Tsakalotos, einem angesehenen Bauingenieur in der Schifffahrtsindustrie, geboren. Einige Jahre später zog er mit den Eltern nach London und besuchte dort die berühmte St. Paul – dieselbe Schule, in die auch der jetzige britische Finanzminister George Osborne gegangen ist. Sein elegantes, an die ge- hobene britische Klasse erinnerndes Englisch holte sich „Sir“Tsakalotos an der EliteUni Oxford.
Sprache der Eliten
Seine Syriza-Parteigenossen finden es toll, dass er die feine Sprache der politischen und Finanz-Eliten beherrscht. Viele sehen ihn als die geheime Waffe der griechischen radikalen Linken. Dochsorgt er daheim auch für Kontroversen. Seine schottische Frau Heather Gibson ist Direktorin und Beraterin bei der griechischen Notenbank. Beide sollen zwei Wohnungen in der noblen Athener Wohngegend Kifisia, ein Büro in der Stadt und ein Ferienhaus im Nordwesten Griechenlands besitzen. Der neue Arbeits- und Sozialminister Giorgos Katrougalos hat sich seinen Wohl- stand durch harte juristische Arbeit verdient – manchmal angeblich mit Mitteln, die gar nicht im Sinne der radikalen Linken sind. Der 52-jährige Professor des öffentlichen Rechts machte im Frühjahr Schlagzeilen: Im letzten Jahr hatte er als Anwalt den Fall von 20 entlassenen Sicherheitsbediensteten an öffentlichen Schulen übernommen. Griechische Medien berichteten, dass er als Honorar 12 Prozent der Gehälter verlangt haben soll, sollte er beim Gericht ihre Wiedereinstellung erreichen. Nach dem Wahlsieg von Syriza wurde Katrougalos zunächst Vizeinnenminister mit Zuständigkeit für Verwaltungsreformen.
Geld aus Hotelverkauf
Unklarheit herrscht um die Finanzen der ehemaligen Vizefi- nanzministerin Nadia Valavani. Sie trat vor einer Woche aus Protest gegen das geplante dritte Abkommen mit den internationalen Gläubigern von ihrem Posten zurück. Kurz darauf wurde aber bekannt, dass ihre Mutter Aliki kurz vor Einführung der Kapitalkontrollen 200.000 Euro von ihrem Konto behoben hatte. Man vermutete, sie habe geheime Informationen über die bevorstehende Bankensperre von der Tochter erhalten. Sie soll auch Druck auf den Filialleiter einer Bank auf Kreta ausgeübt haben, damit die Mutter das Geld rasch bekommt.
Laut griechischen Medien soll sie auch im Jahr 2011 in Erklärungsnot geraten sein. In ihrer Vermögensaufstellung als Syriza-Abgeordnete soll sie Einlagen in britischen Banken für etwa 360.000 Pfund und dazu etwa 450.000 Euro angegeben haben. Das Geld stamme aus dem Verkauf eines Hotels, das sie von ihrem Vater geerbt habe, erklärte sie damals auf Fragen aus anderen Parteien.
„Das Problem bei diesen Politikern ist nicht, dass sie Geld oder Bankkonten im Ausland haben. Es ist ein Problem, dass gerade einige von denen über die Einführung der Drachme sprechen, während sie ihr Geld im Ausland aufbewahren. Das ist Heuchelei“, sagt der Medienbeobachter George Tzogopoulos.
Neue IWF-Hilfe beantragt
Am Freitagabend veröffentlichte das griechische Finanzministerium ein Schreiben von Finanzminister Tsakalotos an IWF-Chefin Lagarde. Darin beantragt Athen einen neuen dreijährigen Kredit, dessen Umfang nicht genannt wurde. Die Wiedereröffnung der Athener Börse nach einer einmonatigen Schließung soll vorbereitet werden. Ein entsprechender Vorschlag sei an die Europäische Zentralbank geschickt worden, um die Währungshüter nach ihrer Meinung zu befragen. Die Entscheidung liege beim Finanzministerium in Athen.