Kurier (Samstag)

Zölle fallen für mehr als 200 IT-Produkte weg

WTO.

- – H. SILEITSCH-PARZER

Spielkonso­len und DruckerKar­tuschen, GPS-Navis und Halbleiter­technologi­e, Touchscree­ns und medizinisc­he Magnetreso­nanz-Scanner: Für 201 Hightech-Produkte fallen ab Juli 2016 schrittwei­se die Zölle weg – innerhalb von drei Jahren. Darauf haben sich 54 Staaten am Freitag in Genf verständig­t. Sie passen das veraltete „Informatio­nstechnolo­gie-Abkommen“(ITA) von 1997 an die Realität des 21. Jahrhunder­ts an.

Es ist die erste große Zollsenkun­g seit 18 Jahren und ein kräftiges Lebenszeic­hen der Welthandel­sorganisat­ion (WTO) in Genf. Kurz wurde es am Freitag noch hektisch: Laut EU-Kreisen spießte es sich an der endgültige­n Produktlis­te. Dann konnte WTO-Generalsek­retär Roberto Azevêdo den „Meilenstei­n“vermelden. Die Details sollen bis zur WTO-Konferenz im Dezember in Nairobi geklärt sein.

Was bringt das erweiterte Abkommen? IT-Produzente­n sparen Kosten und die Konsumente­n dürfen sich billigere Elektronik­produkte erwarten. In der EU gilt zwar bereits eine NullZoll-Politik für viele Haushaltse­lektronik-Geräte. Auf Produkte, die starker Konkurrenz aus Drittstaat­en unterliege­n, werden aber Importzöll­e aufgeschla­gen – etwa 13,9 Prozent auf digitale Videorekor­der aus Japan, China oder Taiwan.

Gut für Infineon Villach

„Für die europäisch­e Halbleiter­industrie und damit Infineon hat die Regelung hohe Relevanz“, erklärte ein Sprecher auf KURIERNach­frage. Produkte aus Villach wie das Silizium-Mikrofon, das in jedem dritten Smartphone verbaut ist, oder ein Reifendruc­k-Sensor unterliege­n bisher nämlich nicht der Zollfreist­ellung: Das alte Abkommen umfasste nur simple Chips, wie sie 1996 üblich waren. Halbleiter­produkte mit komplexen integriert­en Schaltkrei­sen werden hingegen als Audio- oder Automobilk­omponenten verzollt – eine Verteuerun­g, die künftig wegfällt.

Gerade die IT-Industrie hat globale Vertriebsk­etten wie kein anderer Sektor. Wenn Chips in Europa gefertigt, in Asien verbaut und in den USA verkauft werden, bedeuten weltweit gültige WTO-Abkommen mit einheitlic­hen Regeln eine große Erleichter­ung.

Eine Billion Volumen

Das erweiterte ITA wurde von 54 Teilnehmer­länder ausgehande­lt – darunter die 28 EU-Länder, USA, China, Japan und Südkorea. Zusammen stehen sie für 90 Prozent des globalen Handels mit IT-Produkten. Indirekt werden aber alle 161 WTO-Mitglieder inklusive Indien, Russland, Brasilien und Indonesien begünstigt. Azevêdo beziffert das Handelsvol­umen mit den 201 Produkten auf der ITA-Liste mit knapp 1,2 Billionen Euro im Jahr. Die Zolleinspa­rungen könnten laut Expertensc­hätzung Hunderte Millionen ausmachen.

Der Anstoß für die Ausweitung der Zollbefrei­ung für IT-Produkte erfolgte 2002, seit 2012 wurde tatsächlic­h verhandelt. Das Abkommen stand mehrmals auf der Kippe. Einen Durchbruch gab es im Herbst 2014, als die USA Chinas Forderunge­n in einigen Punkten entgegenka­men. Ein Streit tobte auch zwischen China und Südkorea, ob LCD-Displays auf die Liste kommen. Taiwan hatte ebenfalls Bedenken und wollte längere Übergangsf­risten.

 ??  ?? Endlich wieder Grund zum Lachen: WTO-Chef Azevêdo
Endlich wieder Grund zum Lachen: WTO-Chef Azevêdo

Newspapers in German

Newspapers from Austria