Kurier (Samstag)

Das Geschäft mit Cannabis floriert: Nur Blühen ist streng verboten Gratis-Nachhilfe wird allzu großzügig finanziert

Volkshochs­chulen.

- – JOSEF GEBHARD

Manchmal flunkert Alex Kristen, wenn die Sprache auf seinen Beruf kommt. Denn der 44-Jährige ist Hanfbauer – und zwar ein ganz legaler. „Normalerwe­ise sag’ ich das auch, wenn ich gefragt werde. Aber wenn ich müde bin, sage ich lieber, dass ich ein Garten-Fachgeschä­ft habe“, lacht er. Diskussion­en sind bei seinem Beruf vorprogram­miert.

Im Industrieg­ebiet von Brunn/Gebirge (NÖ, Bezirk Mödling) hat Kristen vier Hallen angemietet. „Flowery Field“– die etwas andere Blumenhand­lung – steht vis a vis von einer Armaturen-Firma und einem Würstelsta­nd. Wo Kristen auch Gegenwind entgegen bläst: „Ah! Der Giftler!“, wird er von manchen Gästen begrüßt. Darüber muss er lachen: „Das sagen die, die schon am Vormittag Alkohol trinken.“

Sein Geschäft ist legal. Dashat das Oberlandes­gericht nach langem Rechtsstre­it bescheinig­t. Denn: Bei Kristen werden ausschließ­lich HanfSteckl­inge verkauft. So lange sie nicht blühen, produziere­n sie kein THC – und haben somit auch keine berauschen­de Wirkung. Damit die Pflanzen nicht zu blühen beginnen, werden sie täglich 18 Stunden beleuchtet.

Dazu kommt ein ausgeklüge­ltes Klimasyste­m: 26,1 Grad hat es selbst an den heißesten Tagen. Entspreche­nd gesalzen ist die Stromrechn­ung: „Alle zwei Monate zahle ich 30.000 Euro.“

Hanfzucht ist harte Fließbanda­rbeit. 30 Mitarbeite­r hat Kristen insgesamt, ein Teil ist den ganzen Tag damit beschäftig­t, die Triebe von den Mutterpfla­nzen zu schneiden. Patrick ist einer davon. „Eigentlich wissen alle, was ich beruflich mache“, sagt er. „Nur meine Omanicht. Die würd’ mich enterben.“

Tausende Pflanzen

Im nächsten Arbeitssch­ritt werden die abgeschnit­tenen Stecklinge verpflanzt. Dann kommen sie in die Nebelkamme­r, wo sie Wurzeln schlagen. Tausende Hanfpflanz­en stehen in Brunn. Wie viele genau, verrät Kristen nicht. Sehr wohl aber seinen jährlichen Umsatz: Der beträgt vier Millionen Euro. „Damit den Leuten auch bewusst wird, was wir an Steuern zahlen.“

Dennoch: Es ist ein schmaler Grat, auf dem sich der fast fertige Jurist – ihm fehlt nur noch die letzte Prü- fung – bewegt. „Ich bin als Student zum ersten Mal mit Cannabis in Berührung gekommen.“Und da sei ihm erst bewusst geworden, wie verbreitet der Cannabis-Konsum ist. „Ich verstehe nicht, warum man so viele Menschen kriminalis­iert.“

Dennoch hält er sich strikt an die Regeln. Bei ihm kann man auch Blumenerde, Dünger und andere Pflanzen kaufen. Die sind aber nicht so gefragt. „Manchmal geben wir sie unseren Kunden einfach so mit“, lächelt er. Seine Verkäufer sind ausdrückli­ch darauf geschult, keine Auskunft darüber zu erteilen, wie man die Stecklinge zum Blühen bringt. Ein Hinweis liegt auf der Verkaufsth­eke. „ Aus gegebenem Anlass möchten ir Dich darauf aufmerksam machen, dass ir ausschließ­lich Pf lanzen zu Zierz ecken erkaufen.“

Die Liebe zur Botanik ist bei Kristens Mitarbeite­rn Pro- gramm – streng dienstlich natürlich. Lisi Xie, eine chinesisch­e Biotechnol­ogin, werkt im Labor in Wien-Favoriten. „Ich liebe Pflanzen“, sagt sie. Ohne Lupe oder Mikroskop trennt sie einzelne Pflanzenbe­standteile und pflanzt sie in Reagenzglä­ser. Mittels Invitro-Verfahren sucht sie nach einer zukunftstr­ächtigen Zuchtmetho­de. „Wächst die Pflanze im Glas, wäre das eine enorme Stromkoste­n-Ersparnis. Und natürlich bräuchten wir dann deutlich weniger Platz.“

Damit wäre das Unternehme­n auch gerüstet, wenn Cannabis für medizinisc­he Zwecke angebaut werden kann: „Wir hätten dann sterile Pflanzen.“

Bis dahin erweitert Kristen: Am17. August eröffnet er seine vierte Filiale in der Hosnedlgas­se in Wien-Donaustadt. Mit 640 Quadratmet­ern Verkaufsfl­äche der größte Hanfshop in Wien. Es ist ein Lieblingsp­rojekt der SPÖ. Als Teil der Gratis-Nachhilfe gibt es seit Februar Förderprog­ramme für Schüler an den AHS und Neuen Mittelschu­len. 9000 Kinder haben im abgelaufen­en Semester die Kurse genutzt, die von den Wiener Volkshochs­chulen (VHS) durchgefüh­rt werden.

Das lässt sich die Stadt eine stolze Summe kosten. Sie überweist dafür heuer den VHS sieben Millionen Euro. Das kommt den Neos spanisch vor. Laut deren Berechnung­en würden schon rund vier Millionen Euro genügen, um die Förderkurs­e abzugelten. „Was passiert mit dem Rest?“, fragen sich die Neos.

Fakt ist: Die VHS, die zu 25 Prozent der Stadt und zu 75 Prozent dem SPÖ-nahen Verband Wiener Volksbildu­ng gehören, hatten schon wirtschaft­lich rosigere Zeiten. 2014 schloss man mit einem Bilanzverl­ust von rund 2,8 Mio. Euro ab – und das, obwohl in den Jahren davor das Kontrollam­t dringend Einsparung­en und Neustruktu­rierungen empfohlen hatte. Für die nächsten zehn Jahre besteht laut internen Papieren ein Investitio­nsbedarf von rund 70 Mio. Euro.

„Günstlinge versorgen“

Da kam die Einführung GratisNach­hilfe gerade recht. Dient ihre großzügige Finanzieru­ng am Ende dazu, die Finanzlöch­er in der VHS zu stopfen? „Wir sehen auch hier, dass es den roten Politikern nur darum geht, parteinahe Unternehme­n und Günstlinge zu versorgen“, kritisiert die Neos- Beate Meinl-Reisinger Neos-Spitzenkan­didatin Spitzenkan­didatin Beate Meinl-Reisinger. „Eine an sich gute Sache wird dazu missbrauch­t, eine aufgebläht­e Struktur zu finanziere­n, anstatt die Zukunft dieser Institutio­n neu zu überlegen.“

Im Büro von Bildungsst­adtrat Christian Oxonitsch weist man die Vorwürfe zurück. „Als die Mittel beschlosse­n wurden, war noch nicht klar, wie hoch die Nachfrage sein wird“, sagt ein Sprecher. Dementiert wird die Neos-Berechnung aber nicht.

Die VHS würden bis Herbst ihre Leistungen abrechnen. Der Evaluierun­gsausschus­s entscheide dann, was mit übrig gebliebene­n Geldern passiert. „Es besteht Interesse, dass sie in die VHSInitiat­ive Erwachsene­nbildung f ließen, bei der der Pflichtsch­ulabschlus­s nachgeholt werden kann“, sagt ein Sprecher. „Theoretisc­h kann das Geld aber auch wieder an die Stadt zurückflie­ßen.“

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Hanfbauer Alex Kristen in seinem Pflanzenre­ich: Sein Geschäft ist legal, das bescheinig­t ihm ein Gericht
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Sieben Millionen Euro bekommen die VHS für die Gratis-Nachhilfe
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Ausschließ­lich Hanf-Stecklinge werden verkauft: So lange sie nicht blühen, enthalten sie kein THC
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