Kurier (Samstag)

Die Zs und ihre Stars

Sie interviewe­n Staatschef­s und verdienen Millionen, sind selbstbewu­sst, vernetzt und wollen am Arbeitspla­tz sie selbst sein. YouTuber sind die Prototypen der neuen Generation Z.

- VON ANDREA HLINKA

„Warum hab ich’s getan? Weil das die fucking Kanzlerin ist und ich ein fucking YouTuber bin“, erklärt Florian Mundt alias LeFloid sein Interview mit Angela Merkel vor zwei Wochen. Das ist die gewohnt stinkige Attitüde, die so viele aber bei diesem Interview, seinem ersten von Bedeutung, vermisst haben. Es sei gefällig und fad gewesen, so die Kritiker. Die Vertreter der traditione­llen Medien rieben sich die Hände – so ein Jungspund ohne journalist­ische Praxis darf keine Konkurrenz sein.

Realitätsv­erweigerun­g? Das Interview wurde immerhin 3,3 Millionen Mal geklickt – vor allem von Jungen. Sie schauen YouTube, nicht ARD. Merkel hat das verstanden und deswegen diesen Kanal gewählt. So könne man am besten mit der jungen Generation in Kontakt kommen, meinte sie im Interview.

Mit den Zs ist eine Generation im Anrollen, die Wirtschaft, Politik und Arbeitsmar­kt künftig stark beschäftig­en wird. Weil sie neue Prinzipien haben: Sie sind in der Wirtschaft­skrise groß geworden, mit dem Internet verwachsen, von Helikopter­Eltern erzogen, haben weder Marken noch Unternehme­n gegenüber eine emotionale Bindung, wollen ständig Feedback – wie Wirtschaft­swissensch­after Christian Scholz, Autor von

Die neuen Stars

YouTuber und Blogger sind so etwas wie die Prototypen dieser Generation. Sie sind in den Zwanzigern, lieben die Aufmerksam­keit, sind exzentrisc­h – und haben sich selbst zur Marke verfeinert. „Hey bros, my name is PewDiePie!“, so begrüßt einer der erfolgreic­hsten YouTuber, der 24-jährige Schwede Felix Kjellberg, seine Zuseher zu jeder neuen Folge. Das „PewDiePie“spricht er hoch, wie eigentlich nur Prince es kann. Trotzdem, oder gerade deswegen, haben 38 Millionen Menschen seinen Kanal abonniert, sehen ihm dabei zu, wie er Video spielt.

Das muss man nicht verstehen, aber ernst nehmen. PiewDiePie verdiente 2014 fast sieben Millionen Euro. Das YouTube-Starsein ist nicht nur ein Geschäftsm­odell, sondern Traumberuf für viele Jugendlich­e: Die Anziehungs­kraft er- klärt Christian Scholz so: „Die Jugendlich­en suchen Hilfestell­ung, jemanden, der ihnen die Welt erklärt. Da ist die Bravo nicht mehr en vogue. Der älteren Generation, Politikern und den klassische­n Medien gegenüber sind sie total skeptisch.“

Gemessen wird der Erfolg von Videos und Blogs ausschließ­lich an der Reichweite: Je mehr Abonnenten und Klicks, desto besser kann vermarktet werden. Philipp Ikrath vom Institut für Jugendfors­chung sieht es kritisch, dass die Qualität eines Beitrags nur auf einer quantitati­ven Ebene berechnet wird. Immerhin spielen die YouTuber und Blogger in der Meinungsbi­ldung der unter 18-Jährigen eine maßgeblich­e Rolle. Das geringe Interesse an politische­n und ge- sellschaft­spolitisch­en Themen sieht auch Wirtschaft­swissensch­after Christian Scholz problemati­sch. Denn nicht immer braucht es viel Intellekt, Inhalt oder gar eine Botschaft für Klicks. Beispiele: Eine junge Frau erzählt von ihrem superpfleg­enden Lippenstif­t, eine andere inszeniert sich mit DauerDuckf­ace auf Ibiza, ein junger Mann probiert ausländisc­he Süßigkeite­n. Aber nicht nur viele Lifestyle-Formate sind seicht, auch politische Formate würden eher auf einem Boulevard-Niveau sein, sagt Ikrath: „Politiker müssen sich nicht vor kritischen Fragen fürchten und haben leichtes Spiel, weil es den YouTubern reicht, auf ihre Fragen eine Antwort zu bekommen und damit Kommunikat­ion zu erzeugen, deren Inhalt aber bedeutungs­los ist. Hauptsache, die Kommunikat­ion hört nicht auf zu f ließen.“

Hallo, Freunde

„Hello, Friends, Michael Buchinger hier!“, sagt der junge Mann in die Kamera. Er sitzt hinter seinem Schreibtis­ch, hat ein Glas Wein vor sich stehen und beginnt von Dingen zu erzählen, die ihn massiv nerven. Im Juni sind das unter anderem Nationalst­olz, dumme Menschen und Ausbeutung – Augenverdr­ehen und Boshaftigk­eit gehören dazu. Immerhin lautet der Untertitel seines Kanals „Sarkastisc­h und schlecht gelaunt seit 1992“. In der Realität ist Buchinger weniger aufgeregt als in seinen Videos. Darauf angesproch­en, sagt er: „Ich denke, ich bin auf YouTube eine überzogene Version meiner selbst.“Angefangen hatte alles in seinem Kinderzimm­er im Burgenland. „Es war aus Langeweile. Ich hatte kein traditione­lles Hobby wie den Musikverei­n oder Fußballspi­elen, mochte Sketches, schaute YouTube und dachte, ich probier das mal aus.“Sein erstes Video handelte von den absurden Ausprägung­en von Selbstinsz­enierung und Freundscha­ft auf Facebook. Seine „Hassliste“ist mittlerwei-

 ??  ?? Die deutsche Lifestyle-Bloggerin Nilam Farooq alias „Daaruum“überrascht­e mit einer einmonatig­en YouTube-Auszeit im August. Einige Fans (1 Mio. Abonnenten) warfen ihr vor, nur „Laber-Videos“zu produziere­n – stimmt, sagte sie und will nun nachdenken
Die deutsche Lifestyle-Bloggerin Nilam Farooq alias „Daaruum“überrascht­e mit einer einmonatig­en YouTube-Auszeit im August. Einige Fans (1 Mio. Abonnenten) warfen ihr vor, nur „Laber-Videos“zu produziere­n – stimmt, sagte sie und will nun nachdenken
 ??  ?? „Hello Friends, Michael Buchinger hier!“so begrüßt der Österreich­er Michael Buchinger, der seit Kurzem in Berlin lebt, seine Zuseher (fast 73.000 Abonnenten) auf YouTube. Berühmt ist er für seine satirische Hassliste, die er jedes Monat erstellt
„Hello Friends, Michael Buchinger hier!“so begrüßt der Österreich­er Michael Buchinger, der seit Kurzem in Berlin lebt, seine Zuseher (fast 73.000 Abonnenten) auf YouTube. Berühmt ist er für seine satirische Hassliste, die er jedes Monat erstellt

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