Kurier (Samstag)

„Unsere Gene reden uns drein“

Das Wissen über die menschlich­e DNA wächst. Wird es auch unsere Karrieren beeinfluss­en?

- VON TERESA RICHTER-TRUMMER

Arbeitgebe­r auf der Suche nach den perfekten Mitarbeite­rn, Menschen auf der Suche nach dem idealen Beruf – wie sehr wird das immer konkretere Wissen um unsere Gene, ihre Wirkung und ihre Manipulier­barkeit künftige unsere Karriere beeinfluss­en? Genetiker Markus Hengstschl­äger wagt einen Blick in die Zukunft. KURIER: Wird eine Zeit kommen, in der Gentests im HR-Bereich ebenso selbstvers­tändlich sind wie heute Tests aus der Psychologi­e? Markus Hengstschl­äger: Ich glaube nicht. Die meisten Aspekte, die einen Arbeitgebe­r in solchen Zusammenhä­ngenintere­ssieren könnten, sind beim Menschen multifakto­riell angelegt – also durch die Wechselwir­kung zwischen genetische­n Anlagen und Umwelt. Eigenschaf­ten wie etwa Durchsetzu­ngsvermöge­n, Stressresi­stenz oder Kommunikat­ionsfähigk­eit haben zwar irgendwo und irgendwie genetische Komponente­n. Aber die alleine bestimmen hier sicher nicht. Gentests sind also keine Hilfe, um herauszufi­nden, welcher Bewerber am besten für die zu besetzende Position geeignet ist?

Es gibt weltweit schon einige Firmen, die genetische Tests im Zusammenha­ng mit demVerhalt­en des Menschen anbieten. Solche Tests können niemals Jaoder-Nein-Antworten geben. Sie erarbeiten immer nur Wahrschein­lichkeiten. Das mag dem einen oder anderen Personalch­ef aber für seine Entscheidu­ng vielleicht schon genügen, etwa als zusätzlich­e Informatio­n bei gleicher Qualifikat­ion. Wie stehen Sie zu genetische­n Tests in der Arbeitswel­t, die Angaben darüber machen, ob jemand an einer bestimmten Krankheit erkranken wird oder nicht?

Das österreich­ische Gentechnik­gesetz verbietet es Arbeitgebe­rn, solche Gentests von ihren Mitarbeite­rn zu verlangen, auch wenn der Verdacht auf eine familiäre Neigung für eine bestimmte Krankheit gegeben ist. So wichtig und richtig diese Regelung aus meiner Sicht einerseits ist, so sehr muss aber auch das Recht von eventuell betroffene­n Dritten mitdiskuti­ert werden. Das ist uns nicht zuletzt durch den schrecklic­hen Selbstmord des Kopiloten so tragisch vor Augen geführt worden. Man stelle sich nur einmal vor, die Wissenscha­ft fände eine genetische Neigung zum Sekundensc­hlaf oder genetische Anlagen für ein gehäuftes Auftreten von kurzfristi­gen Phasen von Konzentrat­ionsschwäc­he bei Menschen. Könnte man hier dann nicht im Sinne betroffene­r Dritter einen Test etwa bei Busfahrern hen? Werden junge Leute auf der Suche nach einem Beruf eines Tages auch Gentests nutzen, um zu erkennen, für welche Karrierewe­ge sie besonders geeignet sind?

Man weiß heute, dass Eigenschaf­ten des Menschen, die man oft unter dem Aspekt Temperamen­t zusammenfa­sst, genetische Komponente­n haben. Aber alle genetische­n Analysen, die Aussagen über das Verhalten oder gar Charaktere­igenschaft­en eines Menschen machen, fischen in sehr trüben Wasser und bieten keinerlei Sicherheit­en. Meine Formel für den HR-Bereich lautet: Jeder Mensch hat seine individuel­len genetische­n Leistungsv­oraussetzu­ngen – die müssen aber entdeckt und durch harte Arbeit in eine besondere Leistung umgesetzt werden. Das führt dann zum Erfolg. Ohne harte tägliche Arbeit wird nichts daraus, aber harte Arbeit führt nicht bei jedem zum Gleichen. Und zugegeben: Es wäre ideal, dort hart zu arbeiten, wo man auch gute genetische Voraussetz­ungen hat. Für Tänzer haben die Wissenscha­fter bereits zwei Gene identifizi­ert, die für Erfolg besonders wichtig scheinen. Glauben Sie wird man für andere Berufe ebenso bestimmte „Karriere“-Gene bestimmen können?

Nein. Die Rolle der Gene ist bei körperlich­en Aspekten des Menschen besonders groß. Das bedeutet, dass Berufe, bei denen die körperlich­e Voraussetz­ung und Verfassung eine große Rolle spielt, wie eben etwa bei Tänzern oder auch Sportlern, Gene von größerer Bedeutung sind. Aber bei den meisten Berufen, die wir kennen, ist der genetische Anteil am Erfolg viel geringer. Aber natürlich reden uns unsere Gene drein. Ignorieren kann und soll man das nicht. Haben Sie jemals ihre eigene Gensequenz untersucht?

Ja. Mein Genom wurde bereits bei uns am Institut für Medizinisc­he Genetik sequenzier­t. Und trotzdem werde ich mir selbst immer ein Rätsel bleiben.

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Erwägung

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genetische­n Leistungsv­oraussetzu­ngen, meint Genetiker
Markus Hengstschl­äger
Jeder Mensch hat individuel­le genetische­n Leistungsv­oraussetzu­ngen, meint Genetiker Markus Hengstschl­äger

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