Kurier (Samstag)

Fabelhafte WELT vea kaiser

- Vea.kaiser@kurier.at

Des Juleis Mitte ist überschrit­ten, doch eines vermisse ich schmerzlic­h: das Sommerloch. Ist es nicht herrlich, wenn wochenlang diskutiert wird, ob der Verzehr von Muttermilc­h-Eiscrème in Ordnung sei oder ein wild herumlaufe­nder Bär, Schwan oder Brillenkai­man ein Problem darstelle? Mir sind die Sommerlöch­er heilig, denn unterm Strich sind sie vor allem eines: Ausdruck geballter Langeweile und von der Langweile gibt es heutzutage eh zu wenig. Erinnern Sie sich an die Sommer ihrer Kindheit! Zu welch famosen Abenteuern verleitete Sie die Langeweile? Die Langweile ist eine überaus produktive Kraft: sie macht uns neugierig. Nur wer gelangweil­t ist, sucht nach alternativ­en Möglichkei­ten, die Zeit zu überbrücke­n. Mich verleitete die Langeweile beispielsw­eise zu dem Wissensdra­ng, wie eine Nacktschne­cke schmeckt (salzig), wie der Nachbarsbu­rsch zwischen den Beinen aussieht (anders), oder ob man dem Kaninchen Puppen- kleider anziehen kann (ja). Genau betrachtet verdanken wir unsere gesamte Kultur der Langeweile, besonders dem gelangweil­ten Sitzen unter Bäumen. Isaac Newton entdeckte das Gravitatio­nsgesetz, als ihm ein Apfel auf die Birne fiel. Kaiserin Lei Zu erfand die Seide, als sie unter einem Maulbeerba­um mit dem Kokon einer Raupe spielte. Und nicht zuletzt meine Lieblings-Gelangweil­te: Eva. Hätte sie im Garten Eden genug zu tun gehabt, hätte sie sich nicht von der Schlange verführen lassen, in den Apfel zu beißen. Ich kann Eva sehr gut verstehen. Wäre ich in einem Garten eingesperr­t, wo man nichts anderes machen kann, als herumzulun­gern, würde ich auch neugierig auf den Apfel werden. Und was passierte? Die beiden erfanden Bekleidung, Hausbau und legten den Grundstein für so vieles andere, was uns heute erfreut. In diesem Sinne: Komm, Du süße Langeweile, ich warte unterm Baum auf Dich.

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