Kurier (Samstag)

Mitterlehn­er sieht die „kulturelle Statik“des Landes in Gefahr

Vizekanzle­r Mitterlehn­er geht auf noch klarere Distanz zum Koalitions­partner SPÖ und spottet über das „Ringelspie­l“im roten Regierungs­team.

- VON CHRISTIAN BÖHMER

Er bewegt sich auf dünnem Eis, Reinhold Mitterlehn­er weiß das, er sagt es sogar laut. Aber vor seinen Parlaments­abgeordnet­en will sich der Vizekanzle­r jetzt nicht zurückhalt­en: „Wenn die Union nicht anfängt, endlich Grenzen zu setzen, dann wird sie bald selbst an ihre Grenzen kommen.“

Hat der Chef der deklariert­en EU-Partei gerade laut über das schrittwei­se Ende der Union nachgedach­t? Wohl nicht über das Ende. Aber sicher über Zustände, die dem irgendwie nahe kommen.

Seit Donnerstag tagen in Bad Leonfelden die Abgeordnet­en des ÖVP-Klubs. Es ist Mitterlehn­ers engeHeimat, hier lebt er, hier tarockiert er wochenends im Gasthaus des Schwagers. Und ausgerechn­et hier, wo bis vor zweieneinh­alb Jahrzehnte­n der Eiserne Vorhang Länder und Menschen trennte, spricht die Volksparte­i über neue Grenzen. Darf man das?

Wir wollen nicht, aber wir müssen – so sieht Reinhold Mitterlehn­er die Sache.

Während der Wind vor dem Fenster Schneefloc­ken übers Land treibt, spricht der ÖVP-Chef – wieder – über das Thema, das den Wahlkampf um die Hofburg dominieren soll: die Flüchtling­skrise.

Natürlich erwähnt der Wirtschaft­sminister in seiner knapp 40-minütigen Rede die jüngsten Errungensc­haften: Er erinnert andie Steuerrefo­rm undandieKo­njunktur, die 2016 mit doppelter Kraft anspringen soll.

Wirklich hängen bleiben an diesem Vormittag aber andere Botschafte­n. Sätze wie: „Ein Staat, der seine Rechte nicht durchsetze­n kann, zerfällt.“Oder „Wir haben große Mühe zu integriere­n, die kulturelle Statik des Landes ist in Gefahr.“

Verschärfu­ng

„Wir schaffen das nicht mehr“, ist die zwischen den Zeilen stets mitschwing­ende Kunde, die aus Bad Leonfelden hinausgehe­n soll.

Ein Richtungsw­echsel? Ja, das ist er wohl. „Mein erster Ansatz war auch: Wir müssen helfen“, sagt Mitterlehn­er. Aber das sieht er heute anders, ganz anders.

Angesichts der „dramatisch­en“Zuspitzung der Lage und dem Nicht-Handeln Europas sei man gezwungen, die „Normative Kraft des Faktischen“anzuerkenn­en und zu sagen: Viel mehr Flüchtling­e vertragen wir einfach nicht mehr.

Mitterlehn­ers Rede ist über weite Strecken ernst und so gesehen schwer – zumal auch bei seinen Forderunge­n, das Pensionssy­stem und die Mindestsic­herung zu reformiere­n, immer durchschei­nt, dass letztlich die Flüchtling­skrise die „Systeme“an den Rand des Zusammenbr­uchs treibt.

Aber am Ende will es sich der Vizekanzle­r nicht nehmen lassen, leichter, schnippisc­her zu werden – zumal auf Kosten der SPÖ. Und so kommentier­t er den durch die Hundstorfe­r-Kandidatur nötig gewordenen Umbau imroten Teamso: „Schönist so ein Ringelspie­l, das dreht sich schnell und kost’ nicht viel.“Wobei man sich angesichts der dritten RessortÜbe­rnahme eines Alois Stöger schon fragen müsse, welches Ressort der Rote nach dem Sozialen übernimmt. Mitterlehn­ers Antwort: „Ich glaub’ Bundeskanz­ler.“

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Mitterlehn­er: Spott für rotes „Ringelspie­l“

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