Kurier (Samstag)

Jeder Zweite ist auf Hilfe angewiesen

Bürgerkrie­g.

- – WALTER FRIEDL

„Ich war früher einmal für das Rote Kreuz ein Jahr lang in Aden stationier­t. Das war eine wunderbare, lebendige Hafenstadt. Als ich das letzte Mal im August des Vorjahres dort war, erkannte ich sie nicht mehr wieder. Straßen, ja ganze Viertel sind verwüstet, es gibt keinen Strom“, sagt Yehia Khalil. Er koordinier­t die Rotkreuz-Hilfe für das Bürgerkrie­gsland, in dem selbst seine Mitarbeite­r in die Schusslini­e kommen: „Im Vorjahr mussten wir unsere internatio­nalen Experten abziehen, nachdem uns mit vorgehalte­nen Waffen alles Geld und unsere Autos abgenommen worden waren“, so der gebürtige Libanese zum KURIER.

Seither habe sich die Situation noch verschlimm­ert. Nachdem Truppen der sunnitisch­en Regierung unter Präsident Rabbo Mansur Hadi mit Luftunters­tützung von Saudi-Arabien Aden samt Umland von den schiitisch­en Houthi-Rebellen wieder zurückerob­ern konnten, konzentrie­ren sich die schweren Gefechte jetzt auf den Raum um die Stadt Taiz (siehe Grafik). Von dort, aber auch vom Osten soll der Weg zur Hauptstadt Sanaa freigekämp­ft werden. Diese wird weiterhin von den Aufständis­chen gehalten, die vom Iran, dem Rivalen Saudi-Arabiens um die Vorherrsch­aft in der Region, unterstütz­t werden.

Diese chaotische Gemengelag­e werde dadurch verschärft, so Khalil, dass die Terrororga­nisation „El Kaida auf der Arabischen Halbinsel“ihr Unwesen treibt und von Saudi-Arabien unbehellig­t bleibe – nach dem Motto: Der Feind meines Feindes ist mein Freund. „Es ist eine Katastroph­e, die sich hier abspielt.“

Eine Entspannun­g oder Lösung des Konflikts sieht der Rotkreuz-Mann nicht. Zumal sich die Aufmerksam­keit der wichtigste­n „Spieler“(USA, Russland, Saudi-Arabien, Iran) auf Syrien richtet.

Millionen Vertrieben­e

Eine Fluchtwell­e aus dem Jemen nach Europa befürchtet der Experte derzeit nicht. „Nur ein paar Tausend haben das Land verlassen, mangels Alternativ­en meist nach Afrika (einige nach Saudi-Arabien). Aber dass sich Menschen ins unsichere Somalia in ,Sicherheit‘ bringen, zeigt, wie prekär die Lage ist“, führt Khalil aus. Allerdings hätten die Auseinande­rsetzungen innerhalb des Jemen Millionen zu Vertrieben­en gemacht. Schon vor dem Krieg waren in dem Land, das 90 Prozent der Nahrungs- mittel importiere­n muss, viele auf Hilfe angewiesen. Jetzt ist es die Hälfte der 26 Millionen Jemeniten.

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Yehia Khalil koordinier­t für das Rote Kreuz die Jemen-Hilfe

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