Kindergarten-Förderung ohne Kontrolle
Die Stadt Wien vergab hunderte Millionen Euro an Subventionen, ohne genau hinzusehen
Mit der Einführung des Wiener Gratiskindergartens im Jahr 2009 wurde dem Betrug Tür undTor geöffnet. Das zeigen gleich zwei Berichte des Stadtrechnungshofs, der mit der zuständigen MA10 ungewöhnlich hart ins Gericht geht. Denn durch den Gratiskindergarten wurde ein massiver Kapazitätsausbau an Kindergarten-Plätzen notwendig, auf den die Stadt nicht vorbereitet war.
Um diesen Bedarf zu decken, wurde praktisch alles gefördert – Unterlagen forderte man anfangs kaum. Dabei wurde im Prüfungszeitraum mehr als eine halbe Milliarde Euro an Fördermitteln vergeben. Das Kontroll-Versagen besonders spektakulär vor Augen führte zuletzt der Fall Abdullah P., der mehrere Kindergärten nur auf dem Papier gründete und Hunderttausende Euro Subventionen kassierte. Doch wie konnte es so weit kommen?
Fehlende Unterlagen
Die Prüfer des Stadtrechnungshofs deckten massive Versäumnisse der MA10 auf: So wurde der Förderprozess erst vier (!) Jahre nach Be- ginn der Anstoßfinanzierung verschriftlicht. Bis 2013 wurden die Förderungen gänzlich ohne EDV-Unterstützung abgewickelt, ab 2013 lediglich mit einem „gängigen Tabellenkalkulationsprogramm“.
Eine Erhebung des tatsächlichen Platzbedarfs gab es bis 2014nicht. Fünf Jahre wurde die Errichtung neuer Kin- dergärten gefördert, ohne zu überprüfen, ob es im entsprechenden Grätzel überhaupt Kindergärten braucht. Auch mussten Förderwerber erst ab 2012 einen Finanzplan, Baupläne und ein pädagogisches Konzept vorlegen. In einem Fall wurden 15.000 Euro pro Kind für eine heilpädagogische Kindergruppe gewährt, tatsächlich wurde das Geld für normale Gruppen verwendet.
Lange Mängelliste
Auch bei der Prüfung der laufenden Zuschüsse dürfte die MA10 geschlafen haben. Der Stadtrechnungshof prüfte seinerseits 20 private Kindergärten – und stellte gravierende Mängel fest. Bei einem Drittel der Kindergärten war kein qualifiziertes Fachpersonal anwesend, auch hinsichtlich der Abrechnungund Buchführung konnten viele Kindergärten die Prüfer nicht zufriedenstellen.
Für Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger sind die Berichte die Bestätigung ihrer schlimmsten Befürchtungen: „Das mangelhafte Fördermanagement öffnet der missbräuchlichen Verwendung von Steuergeld Tür und Tor.“Meinl-Reisinger fordert nun eine lückenlose Aufklärung: „Das ist Steuergeld, mit dem die Stadt Wien allen voran in Zeiten eines Schuldenbudgets achtsam umgehen muss. Die Berichte zeigen die Unverantwortlichkeit auf, mit der Steuergelder im Beate Meinl-Reisinger
Neos-Klubchefin wahrsten Sinne des Wortes versenkt werden.“
Seitens des Stadtverwaltung betont man, dass die Organisationsstruktur der MA10 nicht mit dem Ausbau der Kindergärten mitgewachsen sei. Daher hat der damalige Bildungsstadtrat Christian Oxonitsch (SPÖ) die MA10 unter neuer Leitung komplett umstrukturiert und 2012 den Informationsleitfaden „Anstoßfinanzierung“erstellen lassen. Die neuen Förderrichtlinien folgten allerdings erst im Jahr 2014.
Mittlerweile steht Integrationsstadträtin Sandra Frauenberger (SPÖ) der MA10 vor. Mit der Fördergebarung sind nun 15 Mitarbeiter betraut, das Referat wird laufend ausgebaut. Die inhaltliche Kontrolle der Kindergärten obliegt wiederum der MA11, die nun zum Geschäftsbereich von Gesundheitsstadträtin Sonja Wehsely zählt. Diese kündigte zuletzt an, die Kontrolltruppe um drei Prüfer aufzustocken.
„Die Berichte zeigen, wie Steuergelder im wahrsten Sinne des Wortes versenkt
wurden.“