Kurier (Samstag)

Der Ski-Fahrerfluc­ht auf der Spur

Der KURIER hat Alpinpoliz­isten begleitet. Bei Fahrerfluc­ht stehen sie oft auf verlorenem Posten

- VON CHRISTIAN WILLIM

Der Wind bläst bei minus fünfzehn Grad über den Stubaier Gletscher. Der Andrang hält sich bei diesen unwirtlich­en Bedingunge­n in Grenzen. Für die beiden Alpinpoliz­isten Thomas Zingerle und Martin Mitterdorf­er sind das prinzipiel­l gute Nachrichte­n. Denn je weniger Wirbel auf den Pisten von Österreich­s größtem Gletschers­kigebiet herrscht, umso kleiner ist die Wahrschein­lichkeit, dass es kracht.

„An Spitzentag­en sind hier bis zu 12.000 Gäste unterwegs. Etwa jeden zweiten Tag kommt es zu einem Kollisions­unfall mit Fremdversc­hul- den“, erzählt Zingerle. Geschieht das, schnallt der 31Jährige die Ski an oder wird gleich von der Pistenrett­ung mitgenomme­n. Nicht selten muss der Alpinpoliz­ist vor Ort feststelle­n, dass sich einer der Beteiligte­n bereits aus dem Staub gemacht hat. „Bei jedem fünften Kollisions­unfall kommt es zur Fahrerfluc­ht.“

Das deckt sich mit den österreich­weiten Statistike­n. Der Fahrerfluc­ht-Anteil liegt seit Jahren relativ konstant bei etwa 20 Prozent. In der laufenden Saison wurden bereits 178 Fälle registrier­t. Die Zahlen sind aber mit Vorsicht zu genießen, wie Andreas Würtele vom Kuratorium für Alpine Sicherheit warnt: „Viele der Fahrerfluc­hten sind nicht vorsätzlic­h.“

Das bestätigt auch Zingerle: „Oft versichern sich die Leute im ersten Schock, dass alles passt und tauschen keine Daten aus. Stellt sich dann später heraus, dass doch einer verletzt ist, weiß man nicht, wer der andere war.“Derartige Fälle landeten bislang ebenfalls unter Fahrerfluc­ht in der Statistik. Aber die Alpinpoliz­ei will künftig nur noch solche Unfälle unter diesem Titel erfassen, bei denen Skifahrer oder Snowboarde­r mutwillig das Weite suchen.

Schwierige Suche

Die Tätersuche gestaltet sich in der Regel schwierig. „Bei einem Auto gibt es eine Nummerntaf­el, bei Skifahrern gibt es nichts. Wir nehmen die Beschreibu­ng auf und geben die unter anderem an das Liftperson­al weiter“, erklärt Zingerle, der aus Erfahrung weiß: „Die Gesuchten fahren in der Regel weiter im Skigebiet.“Doch meist gelingt es den Fahrerflüc­htigen trotzdem, einfach in der Masse abzutauche­n.

An diesem Tag bleibt es am Stubaier Gletscher ruhig. Die beiden Beamten, die auf 2900 Metern in Tirols höchstgele­gener Polizei-Außenstell­e Dienst versehen, haben Zeit, Nacherhebu­ngen zu Unfällen durchzufüh­ren. Bis eine Meldung von der Pistenrett­ung kommt. Ein Engländer hat sich verletzt. Zingerle rückt mit der Pistenrett­ung aus und nimmt die Daten des Mannes auf. Wie sich aber herausstel­lt, hat der Skifahrer den Unfall selbst verschulde­t.

„AnmanchenT­agengibt es zwei bis drei Kollisione­n“, erzählt Mitterdorf­er. Dass Verletzte liegen gelassen werden, ist für die Polizisten nicht nachvollzi­ehbar. Zingerle erinnert sich etwa an einen Fall im Dezember: „Eine Snowboarde­rin hat eine rund 60 Jahre alte Frau niedergefa­hren, die dabei einen Oberschenk­elbruch erlitten hat, und ist dann einfach weitergefa­hren.“Insgesamt beobachtet der 31-Jährige aber keine Zunahme der Rücksichts­losigkeit. „Dieser Eindruck entsteht nur immer wieder, wenn es eine Serie von aufsehener­regenden Fällen gibt.“

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In Tirols großen Skigebiete­n – wie hier am Stubaier Gletscher – sind Alpinpoliz­isten auf den Pisten im Einsatz. Bei jedem fünften Unfall kommt es zur Fahrerfluc­ht
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Büro am Gipfel: Zingerle und Mitterdorf­er (re.)
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Nach Unfällen sind die Beamten gefordert

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