Der Ski-Fahrerflucht auf der Spur
Der KURIER hat Alpinpolizisten begleitet. Bei Fahrerflucht stehen sie oft auf verlorenem Posten
Der Wind bläst bei minus fünfzehn Grad über den Stubaier Gletscher. Der Andrang hält sich bei diesen unwirtlichen Bedingungen in Grenzen. Für die beiden Alpinpolizisten Thomas Zingerle und Martin Mitterdorfer sind das prinzipiell gute Nachrichten. Denn je weniger Wirbel auf den Pisten von Österreichs größtem Gletscherskigebiet herrscht, umso kleiner ist die Wahrscheinlichkeit, dass es kracht.
„An Spitzentagen sind hier bis zu 12.000 Gäste unterwegs. Etwa jeden zweiten Tag kommt es zu einem Kollisionsunfall mit Fremdverschul- den“, erzählt Zingerle. Geschieht das, schnallt der 31Jährige die Ski an oder wird gleich von der Pistenrettung mitgenommen. Nicht selten muss der Alpinpolizist vor Ort feststellen, dass sich einer der Beteiligten bereits aus dem Staub gemacht hat. „Bei jedem fünften Kollisionsunfall kommt es zur Fahrerflucht.“
Das deckt sich mit den österreichweiten Statistiken. Der Fahrerflucht-Anteil liegt seit Jahren relativ konstant bei etwa 20 Prozent. In der laufenden Saison wurden bereits 178 Fälle registriert. Die Zahlen sind aber mit Vorsicht zu genießen, wie Andreas Würtele vom Kuratorium für Alpine Sicherheit warnt: „Viele der Fahrerfluchten sind nicht vorsätzlich.“
Das bestätigt auch Zingerle: „Oft versichern sich die Leute im ersten Schock, dass alles passt und tauschen keine Daten aus. Stellt sich dann später heraus, dass doch einer verletzt ist, weiß man nicht, wer der andere war.“Derartige Fälle landeten bislang ebenfalls unter Fahrerflucht in der Statistik. Aber die Alpinpolizei will künftig nur noch solche Unfälle unter diesem Titel erfassen, bei denen Skifahrer oder Snowboarder mutwillig das Weite suchen.
Schwierige Suche
Die Tätersuche gestaltet sich in der Regel schwierig. „Bei einem Auto gibt es eine Nummerntafel, bei Skifahrern gibt es nichts. Wir nehmen die Beschreibung auf und geben die unter anderem an das Liftpersonal weiter“, erklärt Zingerle, der aus Erfahrung weiß: „Die Gesuchten fahren in der Regel weiter im Skigebiet.“Doch meist gelingt es den Fahrerflüchtigen trotzdem, einfach in der Masse abzutauchen.
An diesem Tag bleibt es am Stubaier Gletscher ruhig. Die beiden Beamten, die auf 2900 Metern in Tirols höchstgelegener Polizei-Außenstelle Dienst versehen, haben Zeit, Nacherhebungen zu Unfällen durchzuführen. Bis eine Meldung von der Pistenrettung kommt. Ein Engländer hat sich verletzt. Zingerle rückt mit der Pistenrettung aus und nimmt die Daten des Mannes auf. Wie sich aber herausstellt, hat der Skifahrer den Unfall selbst verschuldet.
„AnmanchenTagengibt es zwei bis drei Kollisionen“, erzählt Mitterdorfer. Dass Verletzte liegen gelassen werden, ist für die Polizisten nicht nachvollziehbar. Zingerle erinnert sich etwa an einen Fall im Dezember: „Eine Snowboarderin hat eine rund 60 Jahre alte Frau niedergefahren, die dabei einen Oberschenkelbruch erlitten hat, und ist dann einfach weitergefahren.“Insgesamt beobachtet der 31-Jährige aber keine Zunahme der Rücksichtslosigkeit. „Dieser Eindruck entsteht nur immer wieder, wenn es eine Serie von aufsehenerregenden Fällen gibt.“