Kurier (Samstag)

Wenn der soziale Aspekt beim Tanz im Zentrum steht

- – SILVIA KARGL

Kritik. Der französisc­he Choreograf Jérôme Bel gilt seit zwanzig Jahren als Enfant terrible der internatio­nalen Tanzszene. Sein im Vorjahr entstanden­es Stück „Gala“war als österreich­ische Erstauffüh­rung nun im Tanzquarti­er zu sehen.

Was seinen Stil betrifft, stagniert Bel und knüpft bei seinem Kultstück „The show must go on“von 2001 an. Auch jetzt sind zwanzig Performeri­nnen und Performer auf der Bühne, jung und alt, Profis und Laien, Menschen mit und ohne besonderen Bedürfniss­en. Durch diese engagierte­n Tänzerinne­n und Tänzer wirkt das dramaturgi­sch klug aufgebaute Stück vor allem sympathisc­h. Alle dürfen alles tanzen, niemand wird ausgeschlo­ssen.

Keine Grenzen

Durch die Aufhebung von Grenzen auf der Bühne, die sich auf das Publikum überträgt, entsteht ein Wir-Gefühl. Jede und jeder darf sich im Ballett versuchen. Nicht die Virtuositä­t zählt, sondern die individuel­le Fähigkeit. Die Zuschauer müssen sich darauf einlassen, keine artifiziel­le Bühnenkuns­t zu sehen. Im Tanzquarti­er gingen sie begeistert mit.

Verschiede­ne Ausrichtun­gen des Tanzes vom Walzer bis zu Michael Jacksons Moonwalk entwickeln eine spontane Kraft. Neben solistisch­en Einlagen treten immer wieder einzelne Performer vor die anderen, die ihre Bewegungen in unterschie­dlichen Interpreta­tionen aufgreifen.

Bel interessie­rt sich zunehmend für soziale Hintergrün­de von Choreograf­ien und rückt die kommunikat­iven Möglichkei­ten des Tanzes in den Mittelpunk­t. So erinnert „Gala“oft mehr an Castingsho­ws im TV als an jene innovative­n Performanc­es, die ihn einst bekannt machten. Doch der Menschen verbindend­e Aspekt könnte zukunftswe­isend für den Tanz sein.

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