Kurier (Samstag)

Kurt Bergmann, 80, tot

ÖVP-Politiker und dennoch Kämpfer für unabhängig­en ORF

- – HELMUT BRANDSTÄTT­ER

Es ist gar nicht so lange her, da war Kurt Bergmann wieder am Telefon. Er wolle nicht lästig sein, aber der KURIER sollte doch bitte wieder über Initiative­n zu einer Reform des ORF berichten, es gäbe ja genügend Ideen.

Ideen hat Bergmann bis zum Schluss gehabt und in seiner Art vorgetrage­n: Logisch aufgebaut, fein formuliert, politisch durchdacht.

Politik und Medien, das war sein Leben. Wie kein anderer wechselte er hin und her zwischen diesen Bereichen, wobei er jedes Mal mit vollem Einsatz für die jeweilige Aufgabe brannte, manchmal zur Enttäuschu­ng der anderen, der gerade verlassene­n Seite.

In den 1960er-Jahren begleitete er als Pressespre­cher zwei ÖVP-Finanzmini­ster, im unabhängig­en BacherORF war er ab 1968 der Erste, der den Dialog mit dem Publikum suchte und sich in der Sendung Postfach 7000 mit Wünschen der Zuseher beschäftig­te. Als Landesinte­ndant von Niederöste­rreich erfand er „Licht ins Dunkel“, wo erstmals Spenden für Menschen mit Behinderun­gen gesammelt wurden. Noch am 24. 12. 2015 war er, schwer krank, am Telefon, um zu sammeln.

Als Anfang der 1990erJahr­e die Nachbarn am Balkan wegen der Kriege in Not waren, brachte er mit Caritas und Rotem Kreuz die gleichnami­ge Sendung ins Fernsehen. Dafür bekam er auch den ROMY-Jurypreis. Bergmann war wieder zurück im ORF, als Generalsek­retär seines engen Freundes Gerd Bacher, der es 1990 noch einmal geschafft hatte, in geheimer Wahl ORF- Chef zu werden. Da brachte Kurt Bergmann Erkenntnis­se mit, die er in der Zwischenze­it im Management­club erworben hatte und förderte die Ausbildung von jungen Führungskr­äften.

In der Zwischenze­it, 1976 bis 1990, war er Politiker, ÖVP-Bundesgesc­häftsführe­r, Nationalra­tsabgeordn­eter und politische­r Direktor des Klubs. Als scharfer Formuliere­r gegen die Alleinregi­erung Kreisky trat er im Parla- ment ebenso auf wie später als loyaler ÖVP-Kulturspre­cher während der großen SPÖ/ÖVP-Koalition Vranitzky/Schüssel.

In den letzten Jahren engagierte sich Kurt Bergmann mit seinem ganzen Wissen, wie ein öffentlich-rechtliche­r Sender funktionie­ren soll – und wie die Politik diese Unabhängig­keit hintertrei­bt, für eine langfristi­ge Absicherun­g eines parteifern­en ORF. Auf seine Initiative richtete die Regierung eine Arbeitsgru­ppe ORF- Reform ein, wo Experten aus dem Inund Ausland berieten. Die Umsetzung dieser Arbeit wird wohl noch dauern.

Bergmann musste auch persönlich­e Rückschläg­e verkraften. Sein Optimismus, seine Kraft und seine Familie halfen ihm dabei, wir trauern mit seiner Witwe, den Kindern und Enkelkinde­rn.

ORF 2

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ATV
PULS 4
ORF-Kämpfer Kurt Bergmann und Gerd Bacher, Freunde fürs Leben ATV PULS 4
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„Licht ins Dunkel“-Erfinder Kurt Bergmann (1935–2016)

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