Kurier (Samstag)

„Junge Frauen kommen in Bewegung“

Der Weg zur Gleichheit in der Arbeitswel­t war steinig – noch immer ist nicht alles erreicht

- VON ANDREA HLINKA

Frauen arbeiten, verdienen Geld, können – in der Theorie – jeden Beruf ausüben und jede Position erreichen. Diskrimini­erung aufgrund des Geschlecht­s ist verboten, rechtlich sind Mann und Frau gleichgest­ellt. Für viele junge Frauen Westeuropa­s ist das selbstvers­tändlich. Dabei ist die Geschichte der Gleichheit am Arbeitsmar­kt noch jung, erst seit den 1990ern Gesetz. In der Verwirklic­hung sind wir noch weit vom Ideal entfernt

Wobei: Frauen haben schon immer gearbeitet. Laut Sonja Dörfler, Soziologin am Österreich­ischen Institut für Familienfo­rschung, war es in früheren Zeiten eine Frage des Standes, ob die Frau gearbeitet hat oder nicht. „Vor allem in der Klasse der Besitzlose­n mussten Frauen arbeiten. Doch Frauenarbe­it musste mit dem Gebären und Stillen vereinbar sein.“Erst als es durch die Industrial­isierung zu einer Trennung von Arbeit und dem Zuhause kam und sich die Ideale des Bürgertums ausbreitet­en, wurde die Geschlecht­erdifferen­zierung radikaler: Männer gingen arbeiten, Frauen führten den Haushalt.

Damit zufrieden geben wollten sie sich nicht. Gerade in den Weltkriege­n gab es immer wieder Emanzipati­onsschübe. Sobald die Männer jedoch vom Kriegsgesc­hehen zurückkehr­ten, wurden diese Bestrebung­en zermalmt. „Gerade im Nationalso­zialismus gab es einen gewaltigen Rückschrit­t für die Frauenrech­te. Frauen wurden in die Bereiche Kindererzi­ehung und an Stellen, wo sie wenig verdienten, zurückgedr­ängt.“Bis in die 70er sollte sich hier nur wenig ändern ( siehe Stationen unten). „Wir waren lange vom ka- tholischen Mutterbild geprägt und haben es als selbstvers­tändlich angesehen. Und das lässt sich nicht mit einer Karriere vereinbare­n“, sagt Sonja Dörfler.

Wie gleich sind wir heute?

Auf den ersten Blick wirkt Österreich heute wie der Einserschü­ler im EU-Vergleich: Vor allem seit 1995 ist die Erwerbstät­igenquote unter Frauen stark gestiegen. Lag sie 1995 bei 59 Prozent steht sie 2014 bei 67 Prozent. Die der Männer ist im gleichen Zeitraum sogar gesunken: Von 79 Prozent auf 75. Doch Sonja Dörfler relativier­t: Die Expansion der Erwerbstät­igkeit ist mit einer Explosion der Teilzeitqu­ote einhergega­ngen. „Ein Drittel der Frauen arbeitet weniger als 30 Stunden pro Woche. Mitte der 90er waren das noch 22 Prozent“, so Dörfler. In Schweden sind es 18 Prozent. Doch Schweden war auch nicht in den Weltkriege­n aktiv und Frauen bekamen dort seit den 30er-Jahren kontinuier­lich mehr Rechte.

In Österreich hapert es nach wie vor bei der Verwirklic­hung der Gleichstel­lung von Frauen am Arbeitsmar­kt. Auch wenn mehr Frauen als Männer die Matura haben, studieren und mehr Frauen einen Abschluss an einer Hochschule machen, sind sie in den Führungset­agen selten: In den Geschäftsf­ührungen der 200 umsatzstär­ksten Unternehme­n scheint die Männerdomi­nanz einzementi­ert. Der Frauenante­il lag Anfang Jänner 2015 bei 5,9 Prozent (2014: 5,6 Prozent) und hat sich seit 2006 nur marginal erhöht. Die Politik zeigt ein ähnlich frustriere­ndes Bild, von Vorbild oder Volksreprä­sentanz – bei 51 Prozent Österreich­erinnen – kann keine Rede sein. Mit dem Stichtag 1. August 2015 lag etwa der Frauenante­il im Nationalra­t bei nur 31 Prozent.

Einkommens­schere

Auch in Sachen Einkommen hinken Frauen hinterher, zeigt die Lohnsteuer­statistik: Je höher das Einkommen, desto niedriger der Frauenante­il. 90 Prozent der Spitzenver­diener – die mehr als 200.000 Euro brutto verdienen – sind Männer. Umgekehrt sind gerade unter den Geringverd­ienern überpropor­tional viele Frauen: Von den 1,7 Millionen Menschen mit weniger als 20.000 Euro Jahresbrut­to sind fast 60 Prozent weiblich.

Laut demGenderI­ndex2015 des Frauenmini­steriums verdienten Frauen 2014 61 Prozent des Männereink­ommens. Begründet liegt das vor allem in der hohen Teilzeitqu­ote der Frauen, in ihrer Auswahl der Branchen und ist historisch: „Frauen haben immer schlechter verdient als Männer“, erklärt Dörfler. „Diese Position vertraten lange auch die Gewerkscha­ften. Denn die jungen Frauen haben zu Hausegewoh­nt und die Verheirate­ten hatten ja einen Mann, der verdient. Es wurde schlicht nicht als Notwendigk­eit gesehen, dass Frauen ein volles Gehalt verdienen“, erklärt sie.

Aus den Zeiten sind wir längst raus und es drängt, nun auch die letzten Ungleichhe­iten am Arbeitsmar­kt restlos zu beseitigte­n. Wie stehen die Chancen dazu? Gut, sagt Dörfler. „In den vergangene­n 20 Jahre war es zwar etwas ruhiger. Mein persönlich­er Eindruck ist aber, heute kommen junge Frauen wieder in Bewegung.“

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nicht völlig gleichgest­ellt
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Frauen kämpfen für ihre Rechte – denn nach wie vor sind Frauen in der Realität nicht völlig gleichgest­ellt und an den Schalthebe­ln der Macht nur Ausnahmeer­scheinunge­n
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