„Entwicklung wie bei Mobiltelefonen“
Neue Therapien verlangsamen bei einem Teil der Patienten den Krankheitsverlauf deutlich
Es ist eine Diagnose, die viele zwischen 20 und 40 Jahren trifft: Multiple Sklerose. „Durch eine Art Überfunktion des Immunsystems kommt es bei der MS zu einem Angriff von Abwehrzellen, deren eigentliche Aufgabe die Abwehr von Infektionenist, auf die Nervenzellen“, sagt der Neurologe Univ.Prof. Fritz Leutmezer von der MedUniWien ( siehe Grafik).
Seit einigen Jahren werden zunehmend neue Therapien zugelassen, die direkt in den Prozess der Krankheitsentstehung eingreifen: Diese Medikamente „fahren das Immunsystem auf ein normales Niveau hinunter“. Rund ein Drittel der Patienten ist dadurch über lange Zeit ohne Krankheitsaktivität: Sie haben keinen Schub, kein Anzeichen einer Verschlechterung und auch keine sichtbaren Entzündungszeichen in der Magnetresonanztomografie. „Bei der schubförmigen MS– der Mehrzahl der Erkrankungen – ist die Entwicklung ähnlich rasant wie bei den Mobiltelefonen“, sagt Leutmezer. Ganz am Anfang stehen die Therapiemöglichkeiten hingegen bei der chronisch fortschreitenden MS: „Aber auch hier werden in den kommenden Jahren neue Substanzen erwartet.“
Überwachung
„Die Behandlung der MSwird zunehmend vielfältiger und komplexer“, sagt auch OA Helmut Rauschka, SMZ-Ost Donauspital. Doch das mache eine „konsequente Planung und Überwachung der Therapie“notwendig. „Wenn man dauerhaft in das Immunsystem eingreift, besteht auch die Gefahr von Nebenwirkungen wie schweren Infektionen“, so Leutmezer.
Deshalb sei es wichtig, durch Kontrollen rechtzeitig jene Patienten herauszufinden, „die Gefahr laufen, solche Nebenwirkungen zu erleiden“. In diesem Fall sei es oft notwendig, auf ein anderes Präparat umzusteigen.
Gleichzeitig sei es auch wichtig, bei aggressivem Krankheitsverlauf und zu geringer Wirkung der Ersttherapie „rechtzeitig auf ein stärker wirksames Medikament umzustellen“, so Rauschka. „In solchen Fällen wird auch der Patient eher dazu bereit sein, ein Restrisiko durch die Therapie in Kauf zu nehmen, wenn er dadurch Schäden im Gehirn vermeiden kann“, so Leutzmezer.
Über die MS-Auslöser herrscht noch viel Unklarheit. Genetische Faktoren spielen eine Rolle, MS ist aber keine Erbkrankheit. Bei einer Infektion mit dem Epstein-Barr-Virus gilt ein Zusammenhang mit MS als wahrscheinlich. Ausreichend Sonnenlicht und hohe Vitamin-D-Spiegel dürften ein Schutzfaktor sein, Rauchen ein Risikofaktor für den Ausbruch von MS und schwerere Verläufe.