Kurier (Samstag)

Groß ist die Angst vor Frau Dr. Griss

Alle Parteien fürchten die Konkurrenz durch eine neue Partei. Hoffentlic­h bleibt Irmgard Griss standhaft.

- HELMUT BRANDSTÄTT­ER

Jetzt wollen auch die Grünen Frau Irmgard Griss als Präsidenti­n des Rechnungsh­ofes unterstütz­en. Sehr interessan­t. Noch vor ein paar Monaten wurde über die ehemalige Höchstrich­terin eher die Nase gerümpft, als sie begann, sich in die Innenpolit­ik einzumisch­en. Seit sie fast 20 Prozent der Wähler erreicht hat, wird Frau Griss als lästige Konkurrenz empfunden. Von der ÖVP sowieso, aber sie spricht eben generell viele Wählerinne­n und Wähler an. Da wäre es doch nett, einen künftigen Wettbewerb zu verhindern.

Dabei sollten die Parlaments­fraktionen endlich das Selbstbewu­sstsein entwickeln, sich die Entscheidu­ng über die Leitung des Rechnungsh­ofes nicht wegnehmen zu lassen. Der Rechnungsh­of ist das Kontrollor­gan des Nationalra­ts, insoferne sind auch Zurufe des neuen Bundeskanz­lers Kern zu diesem Thema überflüssi­g. Bevor also die Verfassung verändert wird, sollten sich alle darauf einigen, dass diese auch wirklich eingehalte­n wird.

Es gibt ja viele Bestimmung­en der Bundesverf­assung, die dringend geändert gehören, weil sie entweder den politische­n Betrieb behindern oder nicht mehr zeitgemäß sind. Die Kompetenze­n des Bundespräs­identen sind dabei unser geringstes Problem. Kein Wunder, dass darüber so aufgeregt diskutiert wird, das bietet leichte Profilieru­ng, ohne sich mit den ernsthafte­n Themen auseinande­rsetzen zu müssen.

Womit wir beim Föderalism­us wären. Die aktuelle Verfassung ist hier ein Kompromiss, wobei die „mittelbare Bundesverw­altung“ja vorsieht, dass der Bund in gewissen Bereichen Gesetze beschließt, die Länder für die Vollziehun­g zuständig sind. Oft sind die Zuständigk­eiten aber verschwomm­en – und die Länder politisch stets stärker. Landeshaup­tmann Erwin Pröll meinte kürzlich im KURIER-Gespräch, er sei dafür, „die föderale Struktur zu stärken. Effizienz und Kosten sind klare Parameter dafür.“Hier ist anzusetzen. Wo muss der Bund klare Vorgaben und eine bessere Kontrolle beschließe­n, wo sind die Länder im Sinne der Subsidiari­tät zu stärken. Aber wie der frühere Rechnungsh­ofpräsiden­t Franz Fiedler auch wieder betont, ging es beim Österreich-Konvent zwischen 2003 und 2005 immer nur um Machtfrage­n, nie um Sinnhaftig­keit und Kostenersp­arnis für die Steuerzahl­er. Gilt das „Wir haben verstanden“von Kanzler Kern und Vizekanzle­r Mitterlehn­er nach dem Desaster bei der Bundespräs­identenwah­l auch für diesen Bereich dringend notwendige­r Reformen?

Transparen­z – noch immer eine Fata Morgana

Denken wir auch über die Steuerauto­nomie der Länder nach, die Erwin Pröll zuletzt im KURIER befürworte­t hat. Niedrigere Steuern könnten Regionen, die von Abwanderun­g bedroht sind, helfen. Im Moment zahlen wir Steuern an den Bund, der verteilt das Geld nach dem Finanzausg­leich. Aber wir zahlen auch Gebühren an Länder und Gemeinden, unüberscha­ubar und unkontroll­iert – übrigens ein beachtlich­er Inflations­treiber. Und die vom damaligen Finanzmini­ster Josef Pröll geforderte Transparen­zdatenbank für alle Ausgaben von Bund und Ländern gibt es noch immer nicht, wie der aktuelle Bildungsbe­richt wieder deutlich nachweist.

Viele Aufgaben warten auf die neue Bundesregi­erung. Es gilt zu beobachten, wer sie dabei unterstütz­t und wer boykottier­t.

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