Ein Check-up der Wettbewerbsfähigkeit
Harald Mahrer.
„Ziel muss es sein, die Wiener Börse als europäische Börse zu positionieren und stärker nach Westeuropa auszurichten“, hat Willibald Cernko, Aufsichtsratschef der Börse, als Parole ausgegeben. Die heimischen Unternehmen seien schließlich international aufgestellt. Und: „Wir wollen Privatanleger stärker ansprechen.“Für diesen Börsenkurs wird, wie berichtet, demnächst Christoph Boschan verantwortlich sein. Noch ist er Chef der Börse in Stuttgart, laut Eigenbeschreibung die Privatanlegerbörse in Deutschland.
Lediglich drei bis vier Prozent der Österreicher besitzen direkt Aktien. In anderen europäischen Ländern liegt dieser Anteil bei einem Vielfachen. Zum Teil hat das auch mit der Stimmung zu tun, die Politik, Kammern und Gewerkschaften verbreiten. „Die Börse ist kein Club exklusiver Zocker, sie ist ein transparenter Handelsplatz“, ärgert sich Heimo Scheuch, Wienerberger-Chef und Vizechef des Börsen-Aufsichtsrats. Die Börse sei ein wesentlicher Bestandteil einer Volkswirtschaft. „Wir brauchen die Finanzierung über ein starkes Eigenkapital.“
Stolz auf Unternehmen
Von der Politik fordern die beiden Aufseher, nicht „auf die Börse hinzuhauen“, sondern stolz auf die notierten Unternehmen zu sein, weil die schließlich die Arbeitsplätze schaffen würden. „Was wir von der Politik brauchen, ist ganz simpel: Dass Mitglieder der Bundesregierung sagen, ja, ich habe Aktien von heimischen Unternehmen“, sagt Cernko.
Neben einer börsenfreundlicheren Einstellung wünschen sich die Aufsichtsräte aber auch ganz Praktisches; etwa die bessere Förderung von Mitarbeiterbeteiligungen. Weitere Forderungen soll der neue Vorstand an die Politik herantragen.
Dem künftigen Vorstandstrio werden neben Christoph Boschan auch Pet- ro Koblic (für die Finanzen) und Ludwig Nießen (für die Technik) angehören. Koblic ist Vorstand der Prager Börse und Vorstand der WienerBörse-Holding und „steht für die Kontinuität“, sagt Cernko. Nießen wiederum kommt aus dem eigenen Haus, er war IT-Bereichsleiter der Börse.
Für die drei Chefposten habe es mehr als fünfzig attraktive Bewerbungen gegeben, erzählt Cernko. Ausgewählt wurde schließlich ein Trio ohne Dame(n). Cernko: „Das hat der Prozess leider Gottes so ergeben.“ So sehr sich Staatssekretär Harald Mahrer (ÖVP) über die eben beschlossene grenzüberschreitende Nutzbarkeit digitaler Abos freut, so sehr sorgt er sich um die Wettbewerbsfähigkeit der EU und speziell jener Österreichs.
Gemeinsam mit dem luxemburgischen Wirtschaftsminister und Vize-Premier Etienne Schneider hat Mahrer beim Wettbewerbsrat am Freitag in Brüssel die EUKommission aufgefordert, regelmäßig die neuesten Daten über Schlüsselindikatoren vorzulegen, aus denen man Europas Chancen in der Weltwirtschaft, vor allem der digitalen, ableiten kann.
Ein Blick auf das „Competitiveness Scoreboard“, das gestern erstmals präsentiert wurde, ist ernüchternd: Europa ist in kaum einer Kategorie besser als die USA, Japan und China.
EU fehlt Leadership
Die Indikatoren, in denen Österreich weiter vorne liegt, aber nicht unter den Besten ist, sind die Ausgaben für Forschung & Entwicklung, die Überlebensrate und Investitionen in die verarbeitende Industrie. „Österreich ist nicht mehr unter den Top 5“, stellt der Staatssekretär im Gespräch mit Journalisten fest. Weil neun Ministerräte die Wettbewerbsfähigkeit beeinflussen, fordert Mahrer „eine bessere Abstimmung in der EU sowie eine raschere Entscheidungsfindung“.
Hart kritisiert der ÖVPPolitiker die EU, „kein Leadership-System zu haben“.
Von Österreich und Bundeskanzler Christian Kern erwartet er einen „digitalen Schub in der Wirtschaft, mehr Deregulierung und mehr Forschung über den Wert der Daten-Souveränität“.
Um Schritt halten zu können, müsse Österreich wieder in die Gruppe der Innovationsführer vorstoßen und soll zum Start-up-Pionier in Europa aufsteigen. Dafür müssen aber die passenden Rahmenbedingungen geschaffen werden. Eigenkapitalfinanzierungen, etwa durch Beteiligungen, sollen erleichtert und Steueranreize geschaffen werden.
Zum Regierungsklima sagte Mahrer nur so viel: „Der Kalte Krieg innerhalb der Koalition muss einer Reformpartnerschaft weichen.“
Kern werde daran gemessen werden, ob er seine Aussage „Wir brauchen den Markt so weit wie möglich und den Staat so weit wie nötig“auch umsetzt. 49,39