Kurier (Samstag)

Gespannte Lage am Brenner

Kontrollen in Italien wirken. 2016 dürfte es in Tirol aber Aufgriffsr­ekord geben

- VON CHRISTIAN WILLIM

Die Landespoli­zeidirekti­on Tirol ist österreich­weit die einzige, die eine Broschüre mit einer Jahresbila­nz der Exekutive veröffentl­icht. Für die Bevölkerun­g ist das Zahlen- und Faktenwerk zum Jahr 2015 auch im Internet (www.polizei.gv.at/tirol) als eBook abrufbar. Die darin ablesbaren Trends sind für Landespoli­zeikommand­ant Helmut Tomac aber bereits wieder „Schnee von gestern“, wie er bei der Präsentati­on des Berichts erklärte.

Eines ist schon jetzt klar: Das Thema Flüchtling­e wird die Polizei auch 2016 weiter nachhaltig beschäftig­en. Das Versiegen der Balkanrout­e hat laut Tomac für Tirol zwar zunächst ebenfalls eine Entlastung gebracht: „Aber damit kommt die Brenner-Route wieder mehr in den Fokus.“

Letztlich ist die heikle Grenze zwischen Österreich und Italien im Blickfeld der ganzen EU. Die Vorbereitu­ngen, umbei Bedarf das Grenzmanag­ement aktivieren zu können, laufen weiterhin. Gleichzeit­ig haben, wie berichtet, am Dienstag 50 zusätzlich­e Polizisten ihren Dienst am Brenner angetreten, um die Schleierfa­hndung zu verstärken. Auch auf italienisc­her Seite wurden die Kontrollen erneut intensivie­rt.

Tomac gesteht ein: „Italien ist bemüht, alles zu unternehme­n, das Aufkommen über den Brenner einzudämme­n.“Derzeit bewege sich der Anstrom „im unteren Level“. Das Phänomen, dass zuletzt einzelne Kleingrupp­en zu Fuß über die Grenze kamen, sei zwar ernst zu nehmen, aber „überschaub­ar“.

Der Polizeiche­f fürchtet, dass sich die Lage schnell än- dern kann, wenn der Kontrolldr­uck südlich des Brenners nachlässt: „Uns ist bewusst, dass die Anlandunge­n in Italien nur unwesentli­ch geringer sind, als im Vorjahr.“Falls der „Puffereffe­kt“in Italien wegbreche, könnten schnell täglich bis zu 1000 Menschen am Brenner ankommen.

2015 gab es in Tirol mit rund 10.000 Aufgriffen von illegal eingereist­en Personen einen neuen Rekord. In Bayern wurden weitere 40.000 Flüchtling­e registrier­t, die über die Brenner-Route gekommen waren. „In Tirol waren es heuer bereits 6200 Aufgriffe. Es ist wahrschein­lich, dass es dieses Jahr eine neue Rekordzahl für Tirol gibt“, sagt Erich Lettenbich­ler, Chef der Abteilung für grenz- und fremdenpol­izeiliche Aufgaben. Der Trend wurde seit der verstärkte­n Kontrolltä­tigkeit in Italien aber zumindest abgeschwäc­ht. Die Zahl der täglichen Aufgriffe sinkt.

Obergrenze wird Thema

Für Polizeiche­f Tomac ist ungeachtet dessen klar, dass das Überschrei­ten der AsylObergr­enze in den kommenden Monaten „zum Thema wird“. Österreich­weit sind heuer 20.000 Asylanträg­e gestellt worden. „Jeden Tag werden im Schnitt 125 bis 150 neue gestellt. Jeder, der das hochrechne­t, kommt auf über 37.500“, sagt Tomac.

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Am Brenner sind seit Dienstag 50 zusätzlich­e Schleierfa­hnder im Einsatz (oben). Derzeit bewegen sich die illegalen Grenzübert­ritte (rechts) aber im unteren Level und sind überschaub­ar
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Verena Steiner sprang in Jeans und T-Shirt in den eisigen Fluss

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