Kurier (Samstag)

Kultkino Kinokult

- HANS HURCH GUTSCHEIN FÜR EINEN KINOABEND

Die Geschichte des Films „Wild River“spielt in den amerikanis­chen Südstaaten zu Beginn der Dreißigerj­ahre. Es sind die Jahre des „New Deal“, in denen sich das von der großen Wirtschaft­skrise gezeichnet­e Land neu erfindet und unter dem von Präsident Franklin D. Roosevelt beschworen­en Geist der frühen amerikanis­chen Pioniere einer radikalen ökonomisch­en Auferstehu­ng verschreib­t. Es ist eine ideologisc­h aufgeladen­e Politik, die in Hollywood ihre Entsprechu­ng findet, und Elia Kazans „Wild River“ist eines der widersprüc­hlichsten und fasziniere­ndsten Beispiele dafür. Entstanden zu Beginn der Sechzigerj­ahre ist „Wild River“das erste amerikanis­che „Period Picture“, das eine Jahrzehnte zurücklieg­ende Geschichte in den Farben von Technicolo­r und der neuen Weite von Cinemascop­e erzählt. Ein eigenartig­er Verfremdun­gseffekt, der Kazans Arbeit eine strahlende und seltsam gegenwärti­ge Anmutung verleiht. Pathetisch­e Apotheose und desillusio­nierende Demontage des „New Deal“zugleich. Der „Wilde Fluss“ist der Tennessee River, der nach Jahrzehnte­n verheerend­er Hochwasser durch ein System von Staudämmen gezähmt und für den Gewinn der fortschrit­tsverheiße­nden Elektrizit­ät genutzt werden soll. Zuständig für dieses Projekt ist die Tennessee Valley Authority und der aus Washington entsandte Regierungs­vertreter Chuck Glover. Seine Aufgabe ist es, die Landeigent­ümer für die Flutung ihrer Anwesen zu entschädig­en und ihre Umsiedelun­g zu organisier­en. Das ist bisher problemlos verlaufen, nur im Ort Garthville droht das Vorhaben am Widerstand einer einzigen, alten störrische­n Frau zu scheitern. Ella Garth ist die Eigentümer­in einer Insel mitten im Strom, ein kleines, vergessene­s Paradies, das seit Generation­en von ihrer Familie mit Unterstütz­ung schwarzer Landarbeit­er bewirtscha­ftet wird, und als sich der von Montgomery Clift gespielte Glover aufmacht, die Patriarchi­n mit einstudier­ten Reden vom großen Fortschrit­t für alle und einer leuchtende­n Zukunft zu überzeugen, erlebt er eine böse Überraschu­ng. Eisern und unbeugsam widersetzt sich die alte Lady. „I hate any kind of dams“, erklärt sie Glover unmissvers­tändlich. „I like things running wild. Like nature meant“, und jagt den Mann von ihrem Land. Was Elia Kazan hier brechtisch-exemplaris­ch verhandelt, ist der alte, uramerikan­ische Widerspruc­h zwischen dem Einzelnen und der Gesellscha­ft. „This is the American way of life“, so Glover zu seiner Sekretärin, „3000 people sell and Ella Garth won’t sell. We admire the spirit, but we have to get her hell out of there.“„Nature running wild“, das ist es, was Chuck Glover bei seinem nächsten Besuch auf der Insel widerfährt, als er Ella Garths Enkelin Carol begegnet, einer jungen verwitwete­n Frau, die sich nach dem Tod ihres Mannes mit ihren beiden Kindern auf die Insel geflüchtet hat. Dort lebt die schöne Carol, einsam und wie von der Welt vergessen. Das Zusammentr­effen dieser beiden Menschen ist eine der elementars­ten und tiefsten Darstellun­gen einer Liebesbege­gnung im Kino. Das ist die andere Geschichte, die Elia Kazan in „Wild River“erzählt und sie ist zugleich eine Art Gegenbeweg­ung zur ersten. Eine Geschichte von Liebe und Verrat. Montgomery Clift, der zum Zeitpunkt der Dreharbeit­en unter Alkohol- und Tablettens­ucht sowie Depression­en litt, ist in „Wild River“von einer melancholi­schen Starrheit und Verlorenhe­it. Ein, wie Marguerite Duras bemerkte, zutiefst verletzter Mann und seine Zuneigung zu Carol, dargestell­t von Lee Remick, ist von herzzerrei­ßender Hilflosigk­eit, während Carols lange unterdrück­tes Verlangen schlafwand­lerisch aufglüht in atemberaub­ender Schönheit. „Wild River“in der Originalfa­ssung mit deutschen Untertitel­n im Metro Kinokultur­haus am 1. Juni um 20h und am 2. Juni um 18 h

(1909-2003) Mit „Endstation Sehnsucht“(1951) und „Faust im Nacken“(1954) macht der griechisch­stämmige US-Regisseur Marlon Brando zum Star. Nach Carroll Baker für „Baby Doll“entdeckte er Lee Remick in „Wild River“für den Film. „WILD RIVER“(1960) Drehbuch: ler:

ELIA KAZAN

Darstel-

PAUL OSBORN MONTGOMERY CLIFT, LEE REMICK, JO VAN FLEET, BARBARA LODEN 110 MIN, FARBE OMU, 35 MM

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