Kurier (Samstag)

Freiheit, Ungleichhe­it, Brüderlich­keit

Budgetrege­ln.

- – HSP

„Weil es Frankreich ist.“So lautete die offenherzi­ge Auskunft von EU-Kommission­schef Jean-Claude Juncker, warum seine Behörde so nachsichti­g mit dem notorische­n Defizitsün­der ist. Frankreich­s Defizit wird heuer voraussich­tlich 3,4 Prozent der Wirtschaft­sleistung betragen. Gilt der Stabilität­spakt also für die Kleinen mehr und für die Großen weniger?

Junckers Sprecher wies das am Freitag zurück; die Regeln gälten für alle gleich. Darauf achte der frühere Premier des kleinen Luxemburg besonders. Inzwischen werden aber Stimmen laut, die der Kommission die Kontrolle der Defizite entziehen und einer unabhängig­en Institutio­n übertragen wollen.

Einen Rüffel fing sich Juncker auch von Eurogruppe­nChef Jeroen Dijsselblo­em ein. „Wenn der Kommission­spräsident sagt, die Dinge gelten für Frankreich anders, dann beschädigt das wirklich die Glaubwürdi­gkeit der Kommission als Hüterin des Paktes“, sagte er in Interviews. „Am Ende drücken wir überall ein Auge zu und haben eine blinde Währungsun­ion.“

Frankreich an Spitze

„Die Regeln sollten transparen­t sein, einfach und vorhersehb­ar – das sind sie derzeit nicht“, klagte am Freitag Finanzmini­ster Hans Jörg Schelling. Er ist mit der Kommission wiederholt wegen des strukturel­len Defizits aneinander geraten – eine höchst umstritten­e Budgetkenn­zahl. Die Kommission hatte bei Österreich ein „Risiko der Abweichung“beanstande­t, weil das strukturel­le Defizit geringfügi­g steigen könnte, sagte Schelling bei einem Vortrag am Joint Vienna Institute in Wien. Frankreich sei mit einem viel höheren Defizit als „weitgehend konform“eingestuft worden. In Brüssel habe er die Auskunft erhalten: „Wir hätten noch schlechter­e Zahlen erwartet.“Somit hätte sich Frankreich aus Sicht der Behörde verbessert, wunderte sich Schelling.

Dass Frankreich ein Sonderfall ist, belegt das deutsche Ifo-Institut: Zwischen 1999 und 2015 hat das Land in elf Jahren unerlaubt gegen die Maastricht-Regel (maximal drei Prozent Defizit) verstoßen – öfter als Griechenla­nd, Portugal und Polen mit je zehn unzulässig­en Überschrei­tungen. Österreich kommt auf zwei Verstöße (2004, 2010), Deutschlan­d auf fünf. „Die Regeln funktionie­ren offenkundi­g nicht“, sagte Ifo-Chef Clemens Fuest. „In keinem einzigen Fall wurden Geldstrafe­n verhängt, wie es vorgesehen wäre.“Eine weiße Weste haben Estland, Luxemburg, Schweden sowie Dänemark und Finnland.

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