Der Staat sattelt das trojanische Pferd
Justiz plant, bei Terrorverdacht auch auf Spielekonsolen Spionagesoftware zu installieren
Wenn die Datenschützer vom Arbeitskreis Vorratsdaten Österreich (AKVorrat) am kommenden Dienstag vor dem Justizministerium aus Protest ein eineinhalb Meter hohes Holzpferd zersägen, dann ist es längst beschlossene Sache: Die Justiz plant bei Terrorverdacht bzw. in Fällen organisierter Kriminalität die Überwachung der Online-Kommunikation mittels Software-Trojanern, seien es mit dem Internet verbundene Spielekonsolen oder Nachrichtendienste wie WhatsApp auf Smartphone, Tablet oder Notebook.
Die Frage ist nur noch: Wie schmuggeln die Ermittlungsbehörden die Überwa- Eckart Ratz OGH-Präsident chungssoftware gezielt in jenes Gerät, auf dem sie die damit gesetzten Aktivitäten unbemerkt verfolgen wollen?
Umstritten
Der Gesetzesentwurf des Justizministeriums, mit dem die Online-Überwachung quasi zum ganz großen Lauschangriff ausgeweitet werden soll, ist heftig umstritten. Die Notwendigkeit der Maßnahmen wird damit begründet, dass die Kommunikation der Attentäter von Paris im November 2015 nicht über Telefonate oder SMS, sondern über Spielekonsolen erfolgte. Man wolle die Kommunikation mutmaßlicher Täter besser überwachen können.
Laut den Datenschützern von AKVorrat handelte es sich Rupert Wolff Anwaltspräsident dabei jedoch umeine mediale Fehlinformation. Eine Zeitungsente führe nun also zum Bundestrojaner. Auch die Rechtsanwälte beklagen, dass die Regierung die Angst der Bevölkerung vor Terroranschlägen dazu nutze, unverhältnismäßige Eingriffe in Grundrechte durchzusetzen.
Den Staatsanwälten und Richtern gehen die geplanten Maßnahmen hingegen nicht weit genug. Das Justizministerium hatte die Absicht, die Installation einer Überwachungssoftware auf den Geräten verdächtiger Personen nur mit direktem physischem Zugriff zu erlauben. Der Ermittler müsste das Handy unbemerkt in die Hand bekommen, um den Trojaner installieren zu können. Eine Fern- Christian Pilnacek Sektionschef Justizministerium installation über das Internet – also der Einsatz von Hackern von außen – sollte ausgeschlossen sein.
Der Präsident des Obersten Gerichtshofes (OGH), Eckart Ratz, und andere Justizfunktionäre können im vorgeschlagenen Gesetzestext allerdings keinen solchen Ausschluss der sogenannten Remote-Installation erkennen. Sollte der Gesetzgeber diese „tatsächlich ausschließen wollen, wäre der Gesetzestext zu präzisieren“, stellt Ratz fest. Allerdings gibt der OGH-Präsident zu bedenken, dass eine solche Einschränkung die praktische Durchführbarkeit der Maßnahme „weitgehend reduzieren würde.“Welcher Terrorist lässt sein Smartpho- ne schon so lange unbeobachtet liegen, bis ein Fahnder einen Überwachungstrojaner installiert hat?
Christian Pilnacek, Sektionschef imJustizministerium, erkennt im Gespräch mit dem KURIER an, dass die Frage der Ferninstallation im Gesetzestext (noch) nicht präzisiert ist. Der Einwand des OGH-Präsidenten und anderer, die zur Reform Stellung genommen haben, spiele eine gewisse Rolle. Man denke in alle Richtungen. Soll heißen: Gut möglich, dass die Ferninstallation erlaubt wird.
Gefährdung
Pilnacek kündigt an, Computertechniker zu Rate zu ziehen, ob so ein Fernzugriff überhaupt ohne Gefährdung möglich ist. Es muss verhindert werden, dass etwa im öffentlichen WLAN-Bereich Hunderte oder Tausende Unbeteiligte die schadhafte Software (den Überwachungstrojaner) zugespielt bekommen.
Die Uniprofessoren Reinhard Pichler und Hannes Werthner vonder Fakultät für Informatik der TU Wien sagen, dass die Entfernung einer solchen einmal empfangenen Software ohne Schädigung des Systems gar nicht mehr möglich ist. Und sie geben zu bedenken, dass der Staat die Bürger doch vor cyberkriminellen Angriffen zu schützen hat. Soll er nun wirklich – im Namen der Sicherheit – selbst Sicherheitslücken schaffen?
„Durch eine Einschränkung würde die praktische Durchführbarkeit reduziert.“ „Wir erwarten eine klare Analyse der technischen Auswirkungen der Online-Überwachung.“ „Den einen geht es zu weit, den anderen ist es nicht effizient genug, der Entwurf liegt in der Mitte.“