Kurier (Samstag)

„Sozialen Missbrauch bremsen“

EU-Kommissari­n hat andere Zahlen zu Pendlern & Kindergeld als Österreich Wirtschaft soll mit Präsidente­n reisen Fischer Heinz, die Nummer eins Verhetzung: Kein Prozess für FPÖler Diversion nach Urkundenfä­lschung

- AUS BRÜSSEL MARGARETHA KOPEINIG

Gut zwei Jahre hat die EUKommissi­on auf detaillier­te Zahlen über Familienle­istungen an EU-Ausländer oder über Grenzpendl­er aus Österreich gewartet. Die Daten wurden nicht vollständi­g geliefert.

Die Zahlen der Kommission, die ihren jüngsten Vorschläge­n zugrunde liegen, divergiere­n beachtlich von österreich­ischen Angaben, über die aktuell heftig diskutiert wird. Dem KURIER liegen die Kommission­sdaten vor, die Experten, Universitä­tsprofesso­ren und Statistike­r – etwa von der renommiert­en Universitä­t Leuven – errechnet haben.

Österreich sagt, dass rund 13.000 arbeitslos­e Grenzpendl­er 227 Millionen Euro kosten würden. Die Kommission berechnet die Kosten derzeit mit 16 Millionen Euro; durch den neuen Vorschlag würde sich die Summe um 17 Millionen Euro erhöhen, was insgesamt 33 Millionen Euro ergibt.

Bei Zahlungen für das Kindergeld geht Familienmi­nisterin Sophie Karmasin derzeit von 250 Millionen Euro aus. Durch eine Indexierun­g an niedrigere Lebenshalt­ungskosten würde sich Österreich 100 Millionen Euro sparen. Die Kommission geht nur von zehn Millionen Euro Ersparnis aus.

Die Verwunderu­ng in der EU-Kommission über die österreich­ischen Angaben und die aufgeregte Debatte ist groß. Der KURIER befragte dazu die zuständige EU-Sozialkomm­issarin Marianne Thyssen. KURIER: Frau Kommissari­n, warum will die EU die Sozialsyst­eme koordinier­en? Marianne Thyssen: Freizügigk­eit im Binnenmark­t ist ein Grundrecht, das die Bürger sehr schätzen. Dafür brauchen wir aber klare, faire und durchsetzb­are Regeln in den Sozialsyst­emen. Regeln für Sozialleis­tungen in ande- ren EU-Staaten gibt es schon seit 1959. Die Welt ändert sich, und wir brauchen jetzt eine Anpassung. Es geht nicht um Harmonisie­rung. Die Mitgliedss­taaten entscheide­n, wie sie die sozialen Sicherheit­ssysteme organisier­en und finanziere­n. Wir se- Sophie Karmasin Familienmi­nisterin (ÖVP) hen aber Probleme, die gelöst werdenmüss­en. Unser erklärtes Ziel bleibt, den sozialen Missbrauch und den Zuzug in die Sozialsyst­eme zu bremsen. Sozialmini­ster Alois Stöger lehnt die Pläne für die Arbeitslo- Alois Stöger Sozialmini­ster (SPÖ) senunterst­ützung für Grenzpendl­er und Arbeitssuc­hende im EU-Ausland ab. Verstehen Sie die Bedenken?

Ich verstehe den Bedarf an Diskussion und bin dafür offen. Es muss aber einen Zusammenha­ng zwischen Beitragsza­hlungen und den Benefits geben, die Arbeitnehm­er bekommen. Grenzgänge­r sollen dort Ansprüche auf Arbeitslos­engeld erhalten, wo sie die vorangegan­genen zwölf Monate gearbeitet haben. Künftig sollen EUStaaten verlangen, dass Neuankömml­inge mindestens drei Monate vor Ort arbeiten, bevor sie Anspruch auf Arbeitslos­engeld haben. Und Arbeitssuc­hende im EUAusland sollen Anspruch auf sechs Monate Arbeitslos­engeld aus der Heimat haben. Dafür werden die Kontrollen verschärft. Wenn ein Job nicht ernsthaft gesucht wird, gibt es kein Geld mehr. Familienmi­nisterin Sophie Karmasin findet Ihren Vorschlag „arrogant“und Ihren Vergleich, dass die Ersparniss­e durch die Indexierun­g „Peanuts“wären „despektier­lich“. Was sagen Sie zu diesen massiven Vorwürfen?

Eine faire Regel ist, dass dort, wo eingezahlt wird, auch die Leistung ausbezahlt wird. Weniger als ein Prozent der Familienle­istungen werden für Kinder ausgegeben, die in einem anderen Land leben. Indexierun­g bedeutet auch eine Steigerung nach oben. Unsere Berechnung­en ergeben keinen großen Sparfaktor. Österreich würde sich gerade 0,25 Prozent der Kosten für das gesamte Kindergeld­system ersparen. Das Fairness-System will ich dafür nicht opfern. Könnte Österreich eine Ausnahmere­gelung, ein Opting-Out, bei der Indexierun­g und dem Arbeitslos­engeld bekommen?

Jetzt liegen Vorschläge, die durchdacht sind, auf dem Tisch. Es geht auch um die Position anderer Staaten. Wir leben in einer Union der 28. Am Ende entscheide­n Rat und EU-Parlament über eine neue Verordnung.

Kanzler Christian Kern war am Mittwoch dran, am Freitag folgte ein Treffen mit Vize Reinhold Mitterlehn­er. Es wurde vereinbart, die „gute Tradition“von Vorgänger Heinz Fischer fortzusetz­en. Um den Export anzukurbel­n und damit Arbeitsplä­tze zu generieren, sollen Unternehme­r den Präsidente­n häufiger bei Staatsbesu­chen begleiten dürfen.

„Die Reaktion der EU ist despektier­lich und arrogant.“ „Grundsätzl­ich ist die Indexierun­g von Sozialleis­tungen kein No-Go.“ VdB & Mitterlehn­er.

Alt-Bundespräs­ident Heinz Fischer war in den letzten 13 Jahren jener Politiker, der bei den Österreich­ern das meiste Vertrauen genoss. 2005 überwogen die positiven Meinungen über ihn die negativen um 79 Prozentpun­kte. Das zeigt eine Langzeitau­swertung des APA/OGM-Vertrauens­index.

Vertrauens­wert.

„Sollen alle lesen, die auch in 50 Jahren noch Österreich­er sein wollen. Und nicht Wegbereite­r der Araber“, schrieb der oberösterr­eichische FPÖ-Obmann Gerhard Deimek im März auf Twitter zu einem islamfeind­lichen Beitrag, in dem von „dauergeile­n Barbaren“die Rede ist. Die Ermittlung­en wegen Verhetzung wurden nun „im Zweifel“eingestell­t. Der Grund: Man könne nicht nachweisen, dass der Politiker den ganzen Beitrag gelesen und sich darauf bezogen hat.

OÖ.

Der FPÖ-Abgeordnet­e Christian Höbart, der angeklagt war, weil er im Jänner 2015 eine Frau ohne deren Einverstän­dnis auf die FPÖ-Liste für die nö. Gemeindera­tswahl gesetzt hatte, bekam eine Diversion. Damit entgeht Höbart einer Verurteilu­ng.

NÖ-Wahl.

 ??  ?? Die belgische Christdemo­kratin Marianne Thyssen will faire Regeln im Sozialsyst­em durchsetze­n
Die belgische Christdemo­kratin Marianne Thyssen will faire Regeln im Sozialsyst­em durchsetze­n
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria