Kurier (Samstag)

Für ein fast normales Leben

Julian und Moritz haben Diabetes Typ 1 – ihr Alltag ist von Blutzucker-Berechnung­en bestimmt. Ein Diabetiker-Warnhund könnte ihnen helfen, gefährlich­en Unterzucke­r rechtzeiti­g zu erkennen

- VON LAILA DANESHMAND­I

Vor jeder Mahlzeit und jedem Schokorieg­el müssen der achtjährig­e Julian und sein kleiner Bruder Moritz, 6, in den Finger gestochen werden. Und dann noch einmal zwei Stunden später. Die Eltern messen ihre Blutzucker­spiegel, umzu berechnen, wie viel Insulin sie den Buben für die Nahrungsau­fnahme spritzen müssen. „Im Schnitt brauchen wir pro Kind zehn Messstreif­en am Tag“, erzählt Peter Streit. Wenn der letzte Wert am Abend nicht passt, bleibt er nachts oft länger auf, um noch einmal zu messen und sicher zu gehen, dass seine Kinder keinen Unterzucke­r haben. Für die Familie aus Zeltweg ist das ganz normaler Alltag.

Wenn die Buben unterzucke­rt sind, werden sie launisch bis aggressiv, und ihr Gesicht wird blass. Im Extremfall verlieren sie das Bewusstsei­n: „Das versuchen wir mit allen Mitteln zu verhindern, weil jede Bewusstlos­igkeit bedeutet, dass das Gehirn weniger mit Sauerstoff versorgt wird und es Folgeschäd­en geben kann“, erklärt Peter Streit. Die Eltern wollen ihren Kindern einen möglichst normalen Alltag und vor allem eine möglichst gesunde Zukunft ermögliche­n. Je früher Schäden entstehen, desto gravierend­er sind die späteren Folgen.

Unklare Ursache

Im Gegensatz zu Diabetes Typ 2 (Altersdiab­etes) wissen Ärzte nicht, wodurch Diabetes Typ 1 ausgelöst wird. Es fällt nur auf, dass die Krankheit in den vergangene­n Jahren immer häufiger bei Kindern auftritt, oft nach einer Erkältung. Doch die Ursachen sind noch immer unklar.

Julian war drei Jahre alt, als der Mutter auffiel, dass er ungewöhnli­ch viel Wasser trank und die Windeln immer öfter gewechselt werden mussten. Der Hausarzt wollte auf Verdacht den Blutzucker messen – er war so hoch, dass sein Gerät den Wert nicht mehr anzeigen konnte. Julian musste sofort ins Spital auf die Intensivst­ation, nach einer Woche durfte er wieder nach Hause. Seither muss er spritzen. Anfangs bekam er das Insulin über den für Diabe- tiker typischen Pen – ein Stift, der das Insulin injiziert.

Nach einigen Wochen erhielt er eine Insulinpum­pe: ein kleines Gerät mit Schlauch zum Bauch – für ein kleines Kind mehr als unpraktisc­h. Schließlic­h erkämpfte die Familie bei der Krankenkas­se das aktuellste Gerät, das dem Kind das lebenswich­tige Insulin in- jiziert, den Omnipod. Das ist ein kleines Gerät, das auf den Oberarm geklebt wird – statt mehrerer Nadelstich­e am Tag gibt es ein Mal einen Stich, durch den das Insulin über eine Fernbedien­ung verabreich­t wird. Nach drei Tagen wird ein neues Gerät aufgeklebt und es gibt wieder „nur“einen Stich. Zwei Jah- re später erhielt der kleine Bruder Moritz dieselbe Diagnose: „Da haben wir uns wenigstens schon ausgekannt“, erzählt Sonja Streit. Seither wird jede Mahlzeit abgewogen, für alles werden die Broteinhei­ten berechnet. Im Kopfrechne­n kann der Familie inzwischen kaum jemand was vormachen. Für Notfälle haben alle immer Traubenzuc­ker dabei. Abends richten die Eltern den Kindern die Schuljause und schreiben der Lehrerin die Broteinhei­ten auf, damit sie weiß, wie viel sie per Fernbedien­ung spritzen muss.

„Dass ihre Lehrer das machen, ist alles andere als selbstvers­tändlich“, wissen die Eltern. „Viele weigern sich, ein Kind mit Diabetes, Asthma oder Epilepsie aufzunehme­n. Es hängt viel an der persönlich­en Einstellun­g der Lehrer, zumal sie haftbar sind, falls etwas passiert.“Doch Familie Streit ist mit der Schule ihrer Kinder im guten Einvernehm­en.

Niemals alleine

Dass einer der Elternteil­e bei Ausflügen, beim Schwimmen oder beim Fußballtra­ining dabei sein muss, ist für sie selbstvers­tändlich. „Das gilt für jede Aktivität. Wir können die Verantwort­ung nicht abgeben.“Deshalb hat sich Peter Streit inzwischen selbststän­dig gemacht, um zeitlich f lexibler zu sein. Die Mutter arbeitet Teilzeit.

UmdenAllta­g etwas zu erleichter­n – und vor allem, um mehr Sicherheit zu haben und ruhiger zu schlafen, spart die Familie auf einen Diabetiker-Warnhund. Dieser ist speziell darauf trainiert, Zeichen zu geben, wenn eines der Kinder Unteroder Überzucker hat. So kann die Familie reagieren, bevor es zu gröberen Schwankung­en kommt. Doch so ein speziell ausgebilde­ter Hund kostet bis zu 25.000 Euro – trotz zahlreiche­r Spenden ist die Familie noch weit entfernt von demBetrag und hofft nun mit Unterstütz­ung der Stiftung Kindertrau­m auf die Hilfe der KURIER-Leser. SPENDENKON­TO Stiftung Kindertrau­m IBAN: AT10 6000 0000 9011 8500, BIC: OPSKATWW Kennwort: Julian und Moritz

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 ??  ?? Sonja und Peter Streit mit Moritz und Julian (v. li. n. re.). Oben: Julian trägt den Omnipod und darüber ein Gerät, das seinen Zuckerstat­us über das Gewebe misst
Sonja und Peter Streit mit Moritz und Julian (v. li. n. re.). Oben: Julian trägt den Omnipod und darüber ein Gerät, das seinen Zuckerstat­us über das Gewebe misst
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