Wenn richtig guter Boulevard die Lachmuskeln ganz heftig strapaziert
ist allerdings nicht wirklich „amused“, wenn ich „fremdgehe“. Beim Burgtheater spielt allerdings die besondere Historie in meiner persönlichen Biografie und meine Freundschaft mit der Kollegin Karin Bergmann mit hinein. Das muss gehen! Gibt es Ideen für weitere Inszenierungen an der Burg?
Momentan nicht. Ich bin wahnsinnig müde, ich mache bereits die dritte Inszenierung im laufenden Kalenderjahr. Ich kenne die Schauspieler schon nicht mehr auseinander, ich bin wirklich platt. Außerdem habe ich meine Regie-Professur und bin Intendant. Ich muss kürzertreten und das vor allem zu Hause, im Resi in München. Man sagt Ihnen einen besonders kraftvollen Regiestil nach. Aber das hören Sie nicht so gerne.
Mir geht nur das Gerede vom „Berserker“schon lange auf die Nerven. Natürlich ist mein Stil kraftvoll, aber ich will ja auch von dem erregt sein, was ich tue. Und auch Erregung erzeugen! Aber ich arbeite längst fein und leise, präzise und psychologisch. Meine Arbeiten von Ibsen, Schnitzler oder der „Iwanow“von Tschechow – das wurden alles erfolgreiche und kontroversielle Aufführungen. Meine wilde Zeit ist nicht vergessen, nicht verloren – und sie macht die konventionellen, klassischen Stücke interessant. Wie beeinflusst Ihr langjähriger Partner, der Bühnenbildner Martin Zehetgruber, die Inszenierungen? Er ist ja auch bei der „Hexenjagd“mit von der Partie.
Ich kann mit seinen Räumen sehr gut umgehen, wobei das nicht einfach ist, da hat sich schon mancher die Zähne daran ausgebissen. Die Bühnenbilder machen die Ästhetik und die Stoßrichtung der Inszenierungen aus, keine Frage. Gibt es mit Zehetgruber Gespräche vorher, oder legt er einfach etwas hin?
Wir arbeiten seit 25 Jahren zusammen. Früher saßen wir wochen- und monatelang zusammen, um ein Projekt zu besprechen; heute brauchen wir das nicht mehr. Er legt mir das Ding hin – und dann arbeite ich daran. Was inszenieren Sie als Nächstes in München?
„Phädras Nacht“, eine Adaptierung von Ra- cines „Phädra“, ein Projekt, das ich mit Albert Ostermaier zusammen entwickle. Bibiana Beglau wird die Phädra spielen. Ich freue mich darauf, weil es die Möglichkeit ist, einmal etwas Neues, Unbekanntes auszuprobieren, anstatt die großen Klopper zu inszenieren. Normalerweise inszenieren Sie gerne die „großen Klopper“. Was halten Sie vom derzeitigen Hang zu Dramatisierungen von Romanen und Filmen?
Nichts. Ich habe nur selten wirklich gelungene Adaptierungen gesehen. Ich finde es ein bisschen armselig, dass man der dramatischen Literatur nicht vertraut. Aber wenn jetzt jemand bei mir am Haus eine super Dramatisierung von einem Film machen möchte, würde ich natürlich sagen, es ist ganz toll (lacht). Das Residenztheater hatte, wie man hört, zu Beginn Ihrer Intendanz Auslastungsprobleme.
Ich habe jetzt die sechste Spielzeit, es geht uns so gut wie nie zuvor, wir liegen bei 81 Prozent! Wir haben uns stetig weiterentwickelt. Ich habe dazugelernt, wir haben dazugelernt. Das Haus ist eine feste Größe, nicht nur in München, sondern in der deutschen Theaterlandschaft. Und nun sollen die Kammerspiele gröbere Probleme haben.
Darüber müssen Sie mit dem Kollegen Lilienthal reden. Weil das hier an der Burg ein großes Thema war: Bekommen Sie Ihre zwei Regiearbeiten pro Jahr am Residenztheater extra vergolten oder sind die in der Intendantengage inbegriffen?
Nein, das ist ein Extra-Regievertrag, der aber um einiges unter der Höchstgage liegt. Und auch mein Intendantenhonorar liegt um einiges unter dem, was hier in Wien üblich ist. Wissen Sie als Intendant genau über die Finanzen Ihres Hauses Bescheid?
Definitiv. Da der gefeuerte Burgtheaterdirektor Matthias Hartmann die Verantwortung abstreitet: Wie ist das am Resi? Sind Sie mitverantwortlich?
Ja klar. Ich bin sogar allein verantwortlich. Das gehört zur Job-Description des Intendanten dazu. Kritik. Die Geschichte scheint banal, ist aber richtig gut. Ein Ehepaar erwartet einen seiner wohl besten Freunde mit dessen neuer, viel jüngerer Geliebten zum Abendessen. Die Situation ist angespannt, ist doch die Exfrau des Gastes ebenfalls eine sehr, sehr gute Freundin. Doch man macht Konversation, tauscht Höflichkeiten aus. Die Gedanken aber sind ganz andere ...
Mit „Die Kehrseite der Medaille“hat Autor Florian Zeller ein herrliches Konversationsstück geschrieben, das von einem Kunstgriff lebt. Das Publikum hört auch immer, was sich die Protagonisten in Wahrheit denken. Und das ist natürlich unfassbar komisch, weil Wünsche, Ängste, Nöte und Sehnsüchte ans Tageslicht kommen.
In den Kammerspielen der Josefstadt hat Alexandra Liedtke im schönen Wohnzimmer-Bühnenbild von Volker Hintermeier (Kostüme: Su Bühler) all das mit größter Präzision inszeniert. Liedtke lässt dabei die Pointen sehr delikat und mit feiner Klinge servieren. Es gibt sehr viel zu lachen, aber glücklicherweise keinen platten Schenkelklopfer-Humor.
Denn dafür sind die Protagonisten viel zu gut. So besticht Michael Dangl als Gastgeber Daniel, der unter der Fuchtel seiner Frau Isabelle steht und dabei doch ganz eigene erotische Visionen entwickelt. Midlife Crisis inklusive. Sona MacDonald gibt eine noble, überlegene Isabelle, die sich letztlich mit ihrer nicht nur scheinbaren Kontrahentin Emma (spritzig und stark: Alma Hasun) anfreundet. Und Marcus Bluhm ergänzt das sich in verbalen Spitzen herrlich übende Ensemble.