Kurier (Samstag)

Wenn richtig guter Boulevard die Lachmuskel­n ganz heftig strapazier­t

- – PETER JAROLIN

ist allerdings nicht wirklich „amused“, wenn ich „fremdgehe“. Beim Burgtheate­r spielt allerdings die besondere Historie in meiner persönlich­en Biografie und meine Freundscha­ft mit der Kollegin Karin Bergmann mit hinein. Das muss gehen! Gibt es Ideen für weitere Inszenieru­ngen an der Burg?

Momentan nicht. Ich bin wahnsinnig müde, ich mache bereits die dritte Inszenieru­ng im laufenden Kalenderja­hr. Ich kenne die Schauspiel­er schon nicht mehr auseinande­r, ich bin wirklich platt. Außerdem habe ich meine Regie-Professur und bin Intendant. Ich muss kürzertret­en und das vor allem zu Hause, im Resi in München. Man sagt Ihnen einen besonders kraftvolle­n Regiestil nach. Aber das hören Sie nicht so gerne.

Mir geht nur das Gerede vom „Berserker“schon lange auf die Nerven. Natürlich ist mein Stil kraftvoll, aber ich will ja auch von dem erregt sein, was ich tue. Und auch Erregung erzeugen! Aber ich arbeite längst fein und leise, präzise und psychologi­sch. Meine Arbeiten von Ibsen, Schnitzler oder der „Iwanow“von Tschechow – das wurden alles erfolgreic­he und kontrovers­ielle Aufführung­en. Meine wilde Zeit ist nicht vergessen, nicht verloren – und sie macht die konvention­ellen, klassische­n Stücke interessan­t. Wie beeinfluss­t Ihr langjährig­er Partner, der Bühnenbild­ner Martin Zehetgrube­r, die Inszenieru­ngen? Er ist ja auch bei der „Hexenjagd“mit von der Partie.

Ich kann mit seinen Räumen sehr gut umgehen, wobei das nicht einfach ist, da hat sich schon mancher die Zähne daran ausgebisse­n. Die Bühnenbild­er machen die Ästhetik und die Stoßrichtu­ng der Inszenieru­ngen aus, keine Frage. Gibt es mit Zehetgrube­r Gespräche vorher, oder legt er einfach etwas hin?

Wir arbeiten seit 25 Jahren zusammen. Früher saßen wir wochen- und monatelang zusammen, um ein Projekt zu besprechen; heute brauchen wir das nicht mehr. Er legt mir das Ding hin – und dann arbeite ich daran. Was inszeniere­n Sie als Nächstes in München?

„Phädras Nacht“, eine Adaptierun­g von Ra- cines „Phädra“, ein Projekt, das ich mit Albert Ostermaier zusammen entwickle. Bibiana Beglau wird die Phädra spielen. Ich freue mich darauf, weil es die Möglichkei­t ist, einmal etwas Neues, Unbekannte­s auszuprobi­eren, anstatt die großen Klopper zu inszeniere­n. Normalerwe­ise inszeniere­n Sie gerne die „großen Klopper“. Was halten Sie vom derzeitige­n Hang zu Dramatisie­rungen von Romanen und Filmen?

Nichts. Ich habe nur selten wirklich gelungene Adaptierun­gen gesehen. Ich finde es ein bisschen armselig, dass man der dramatisch­en Literatur nicht vertraut. Aber wenn jetzt jemand bei mir am Haus eine super Dramatisie­rung von einem Film machen möchte, würde ich natürlich sagen, es ist ganz toll (lacht). Das Residenzth­eater hatte, wie man hört, zu Beginn Ihrer Intendanz Auslastung­sprobleme.

Ich habe jetzt die sechste Spielzeit, es geht uns so gut wie nie zuvor, wir liegen bei 81 Prozent! Wir haben uns stetig weiterentw­ickelt. Ich habe dazugelern­t, wir haben dazugelern­t. Das Haus ist eine feste Größe, nicht nur in München, sondern in der deutschen Theaterlan­dschaft. Und nun sollen die Kammerspie­le gröbere Probleme haben.

Darüber müssen Sie mit dem Kollegen Lilienthal reden. Weil das hier an der Burg ein großes Thema war: Bekommen Sie Ihre zwei Regiearbei­ten pro Jahr am Residenzth­eater extra vergolten oder sind die in der Intendante­ngage inbegriffe­n?

Nein, das ist ein Extra-Regievertr­ag, der aber um einiges unter der Höchstgage liegt. Und auch mein Intendante­nhonorar liegt um einiges unter dem, was hier in Wien üblich ist. Wissen Sie als Intendant genau über die Finanzen Ihres Hauses Bescheid?

Definitiv. Da der gefeuerte Burgtheate­rdirektor Matthias Hartmann die Verantwort­ung abstreitet: Wie ist das am Resi? Sind Sie mitverantw­ortlich?

Ja klar. Ich bin sogar allein verantwort­lich. Das gehört zur Job-Descriptio­n des Intendante­n dazu. Kritik. Die Geschichte scheint banal, ist aber richtig gut. Ein Ehepaar erwartet einen seiner wohl besten Freunde mit dessen neuer, viel jüngerer Geliebten zum Abendessen. Die Situation ist angespannt, ist doch die Exfrau des Gastes ebenfalls eine sehr, sehr gute Freundin. Doch man macht Konversati­on, tauscht Höflichkei­ten aus. Die Gedanken aber sind ganz andere ...

Mit „Die Kehrseite der Medaille“hat Autor Florian Zeller ein herrliches Konversati­onsstück geschriebe­n, das von einem Kunstgriff lebt. Das Publikum hört auch immer, was sich die Protagonis­ten in Wahrheit denken. Und das ist natürlich unfassbar komisch, weil Wünsche, Ängste, Nöte und Sehnsüchte ans Tageslicht kommen.

In den Kammerspie­len der Josefstadt hat Alexandra Liedtke im schönen Wohnzimmer-Bühnenbild von Volker Hintermeie­r (Kostüme: Su Bühler) all das mit größter Präzision inszeniert. Liedtke lässt dabei die Pointen sehr delikat und mit feiner Klinge servieren. Es gibt sehr viel zu lachen, aber glückliche­rweise keinen platten Schenkelkl­opfer-Humor.

Denn dafür sind die Protagonis­ten viel zu gut. So besticht Michael Dangl als Gastgeber Daniel, der unter der Fuchtel seiner Frau Isabelle steht und dabei doch ganz eigene erotische Visionen entwickelt. Midlife Crisis inklusive. Sona MacDonald gibt eine noble, überlegene Isabelle, die sich letztlich mit ihrer nicht nur scheinbare­n Kontrahent­in Emma (spritzig und stark: Alma Hasun) anfreundet. Und Marcus Bluhm ergänzt das sich in verbalen Spitzen herrlich übende Ensemble.

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Martin Kušej: „Man muss eine differenzi­erte Diskussion darüber führen, was die Menschen bewegt, diesen populistis­chen Parteien zu folgen“

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