Ümit Korkmaz blickt zurück
St. Pöltens Hoffnungsträger Ümit Korkmaz über seine Karriere, Verletzungen, Pacult und Erdoğan
Österreichs Ex-Teamspieler mit türkischen Wurzeln im Gespräch
Nach neun Saisonen als Legionär kehrte Ümit Korkmaz nach Österreich zurück. Die vielen Verletzungen verhinderten eine große Karriere. Prompt verletzte sich der 31Jährige beim Debüt für St. Pölten in Salzburg erneut. Jetzt ist der Ex-Rapidler wieder fit, bereit für das Comeback gegen Ried – und als Menschauffallend gereift. KURIER: Wie erleben Sie Österreich und die Heimat nach neun Jahren im Ausland? Ümit Korkmaz: Ab dem ersten Tag in Deutschland hab ich gewusst, was meine Heimat ist – und dass ich nach Wien gehöre. Auch wenn man europäisch denkt und zwei, drei Sprachen kann: Daheim bleibt immer daheim. Fällt Ihren alten Bekannten auf, dass Sie mittlerweile mit einem leichten deutschen Akzent sprechen?
Ich habe als Kind zu Hause immer Türkisch gehört, Deutsch ist dann erst dazugekommen. Deswegen nimmt man diesen Slang, dieses spezielle „Germany Deutsch“schneller auf. Mein alter Kumpel Andi Dober schimpft mich immer, wenn ich statt Nein „Nee“sage. Aber ein Krapfen ist immer noch ein Krapfen für mich und kein „Berliner“. Wo wohnen Sie jetzt?
In Mauerbach. Das ist noch Wien, ich höre sogar die Fans im Rapid-Stadion. Aber ich bin auch in 25 Minuten in St. Pölten im Stadion – das ist perfekt! Sie haben im Trainingslager in Kroatien Ihren Ex-Trainer Peter Pacult getroffen. Er war sehr streng, hat Sie aber auch gefördert. Was hat man sich nach neun Jahren noch zu sagen?
Er schimpft mich immer noch! Warum?
Weil ich zu ihm gesagt habe: „Coach, duhast mich überanstrengt. Deshalb warich so oft verletzt.“Er hat geantwortet: „Du wirst für immer Rapid-Meister bleiben! Du warst bei der Heim-EM. Eigentlich sollte ich wie ein Gott für dich sein und du solltest mir jeden Tag danken.“(lacht) Was haben Sie von der deutschen Fußball-Kultur gelernt? Es ist anders und noch professioneller als bei uns. Da werden schon Siebenjährige in einer 10-Millionen-Anlage Tag für Tag perfekt ernährt und ausgebildet. Wenn ich als Junger aus der Wiener Liga auch schon so eine Ausbildung gehabt hätte, wäre ich nicht so oft verletzt gewesen. Meine Muskeln wären früh abgehärtet worden. Ich hatte bis 19 pro Woche nur drei Trainings und ein Spiel. St.-Pölten-Trainer Jochen Fallmann hat schon vor Ihrem Debüt betont, dass Sie der Mannschaft nicht nur sportlich helfen, sondern auch als Führungsfigur. Ist das Ihr Anspruch?
Natürlich. Ich will den Jungen weitergeben, was ich erlebt habe, was sie besser machen könnten. Wenn man als Junger den Sprung nach oben schafft, kann man ein sehr schönes Leben führen. An diesen Erfahrungen ändern auch die vielen Verletzungen nichts. Wie meinen Sie das? Fußballspielen ist wie Radfahren. Wenn du es kannst, bist du nach zehn Minuten wieder drin. Das ist in deinem Kopf, das geht während einer Verletzung nicht weg. Was sagen Sie den Jungen in St. Pölten konkret? Wenn du als Junger sagst, es reicht mir schon, bei St. Pölten zu spielen, dann ist dir nicht zu helfen. Wenn du sagst „Das ist genug“, bleibst du stehen. Aber es
gibt hier Spie- ler, die träumen von der zweiten deutschen Liga. Da habe ich viel erlebt. Was hat Sie in den sechs Jahren in Deutschland geprägt?
Die Atmosphäre in den Stadien ist außergewöhnlich. Wenn du als Ausländer zum ersten Mal im vollen Stadion von Dresden spielst – das ist nicht lustig. In der Allianz Arena war es viel leichter. Die Bayern haben nur Zuschauer, keine Fans. Welche Ziele haben Sie selbst noch in Ihrer Karriere?
Ich habe noch viel vor. Ich will, dass die Leute sagen, das ist der alte Ümit. Der Meister von 2008. Sie sind in den letzten Monaten bei Rizespor nicht mehr eingesetzt worden. Was für eine Erfahrung war das?
Es war sehr lehrreich. Der Trainer wollte mich nicht, obwohl ich mit dem Präsidenten des Vereins bis heute guten Kontakt habe. Ich durfte nicht mehr mit der Mannschaft trainieren und hatte drei Mal am Tag nur hartes Einzeltraining. Das ist demütigend, oder?
Demütigend würde ich nicht sagen. Aber sie wollen deine Grenzen austesten. Einem 22-jährigen Georgier ist das bei Rizespor auch passiert – der ist bald zusammengebrochen. Er hat gesagt: „Ümit, wenn du das mit 22 erlebt hättest, wärst du auch zusammengebrochen.“Sie bezeichnen die Türkei als Ihre „zweite Heimat“. Wie beurteilen Sie die politischen Entwicklungen dort?
Ich kenne die türkische Sichtweise: Die Mehrheit des Landes steht hinter dem Regime von Präsident Erdoğan. Ich verstehe aber auch die europäische Sichtweise: Man muss den 60 Prozent entgegenkommen, die Erdoğan nicht gewählt haben. Aber als Person in der Öffentlichkeit will ich das Politische nicht beurteilen. Für die SPÖ haben Sie 2008 aber Werbung gemacht.
Ja, natürlich. Weil ich selbst erlebt habe, dass sich die SPÖ auch für die hart arbeitenden Einwanderer einsetzt, die sich in Österreich etwas aufbauen wollen. Zum Schluss ein Ausblick: Gegen Ried wartet heute ab 16 Uhr ein wichtiges Heimspiel im Abstiegskampf. Warum steigt der SKN St. Pölten nicht ab?
Ich habe mir ein Bild von der Mannschaft gemacht und mittlerweile auch von der gesamten Bundesliga. Deswegen kann ich sagen: Mit unserer Qualität wäre es sehr unfair, wenn wir am Ende trotzdem ganz unten stehen.