Skandalbehörde wird aufgelöst
Radikaler Umbau. Verkehrsminister Leichtfried greift hart durch. Die Bundesanstalt für Verkehr wird geschlossen; 26 Flugunfälle sollen noch geklärt werden.
Ungeklärte Flugunfälle, fehlende Unfallberichte, Bahnunfälle, die von ÖBB-Mitarbeitern untersucht werden sowie die Vermischung privater und staatlicher Aufgaben haben das Image der Bundesanstalt für Verkehr (BAV) an die Wand gefahren. Nachdem der KURIER und NEOS-Abgeordneter Rainer Hablé diese Misere anhand vieler Beispiele aufgezeigt haben, zieht nun Verkehrsminister Jörg Leichtfried (SPÖ) die Reißleine. Er räumt mit den Altlasten seiner Vorgänger in dieser dem Ministerium nachgeordneten Dienststelle auf.
„Wir werden die Bundesanstalt für Verkehr auflösen und bereits am Montag zwei Gesetzesnovellen zur Begutachtung vorlegen“, bestätigt die zuständige Sektionschefin Ursula Zechner dem KURIER.
Die beiden BAV-Bereiche werden getrennt: Die Kraftfahrzeug- und Verkehrstechnik wird als neue Abteilung ins Ministerium eingegliedert und die Leitung neu besetzt. Indes bleibt die Sicherheitsuntersuchungsstelle des Bundes (SUB), die alle Bahn-, Seilbahn-, Schifffahrts- und Flugunfälle aufarbeiten sollte, eine nachgeord- nete und unabhängige Stelle. Das ist nach EU-Recht zwingend vorgeschrieben. „Auch die SUB-Leitung wird neu bestellt und die Zahl der Mitarbeiter um sechs auf 31 aufgestockt, um alle Fälle fristgerecht abhandeln zu können“, sagt Zechner.
Dass der Umbau gerade jetzt vorgenommen wird, führen Insider auf die laufende Prüfung der BAV durch den Rechnungshof zurück. Das wird vom Ministerium de- mentiert. „Wir sind bemüht, alle Flugunfall-Untersuchungsfälle aufzuarbeiten. Dass manche Fälle lange dauern, will ich nicht beschönigen“, sagt Zechner. „Aber seit vergangenem Herbst kommen wir sehr zügig voran.“
Brisante Zahlen
Dazu legte das Ministerium dem KURIER interessante Zahlen vor: Seit 2007 wurden der BAV insgesamt 17.377 Vorfälle und Störungen in der Luftfahrt gemeldet, in 170 Fällen wurden auch Untersuchungen eingeleitet. 94 Fälle wurden eingestellt, weil kein schwerer Unfall vorlag. 50 Fälle wurden abgeschlossen, 26 Untersuchungen sind noch offen.
Darunter ist der tödliche Hubschrauber-Unfall am Großvenediger vom 29. April 2012. Auf dem höchsten Berg Salzburgs (an der Grenze zu Osttirol) sollte ein Bergsteiger aus einer Gletscherspalte gerettet werden. Beim dritten Flug sollte der Hubschrauber „Martin 4“der Firma Heli Austria zwei Bergretter und einen Alpinpolizisten am Tau zur Unfallstelle bringen. Wegen rapider Sichtverschlechterung sank der Pilot „mit dem Hubschrauber sehr schnell und klinkte das Tau mit den drei Personen nahe der Unfallstelle aus“. Das Trio soll rund zehn Meter in die Tiefe gestürzt sein. Die zwei Bergretter wurden schwer verletzt, der Alpinpolizist wurde getötet. Nun kündigt das Ministerium via KURIER an, dass ein Untersuchungsbericht erstellt wird – nach fast fünf Jahren.
Auch die Aufarbeitung von Bahnunfällen soll sich ändern. Bisher wurden dafür drei Experten von den ÖBB „ausgeliehen“. Die werden bleiben. Aber bei Neuaufnahmen soll auf Bahntechniker zurückgegriffen werden, die an der Fachhochschule St. Pölten ausgebildet werden.
„Es war längst Zeit, dass Bundesminister Leichtfried tätig wird“, sagt NEOS-Nationalrat Hablé. „Unsere parlamentarischen Anfragen haben ein Bild von Freunderlwirtschaft und Filz in der BAV aufgezeigt. Mit der BAVAuflösung muss sichergestellt sein, dass dem ein Ende gesetzt wird. Was wir nicht akzeptieren werden ist, dass unter dem Deckmantel einer neuen Struktur weiter Freunderlwirtschaft und Filz den Ton angeben.“Auch werde eine einmalige Gelegenheit verpasst, die Unabhängigkeit der Untersuchungsstellen zu garantieren. Hablé: „Sie sollte dem Parlament unterstehen, so wie das in anderen Ländern der Fall ist.“