Kurier (Samstag)

Türkei-Streit eskaliert: Kurz ist für harte Linie, Gabriel will einlenken

EU-Außenminis­ter.

- VON MARGARETHA KOPEINIG

In der Analyse, dass sich die Türkei mit dem Ergebnis des Verfassung­sreferendu­ms noch weiter von den demokratis­chen Prinzipien der EU entfernt, sind sich die 28 Außenminis­ter einig. In den Konsequenz­en aber gar nicht.

Wieder einmal ist es Außenminis­ter Sebastian Kurz, der den Beitrittsp­rozess mit der Türkei sofort beenden will. „Schauen wir uns an, ob die Türkei die Kopenhagen­er Kriterien (Rechtsstaa­t, Demokratie, Menschenre­chte) erfüllt“, sagte Kurz am Freitag beim informelle­n EU-Außenminis­tertreffen­s auf Malta. Er ist für einen neuen Nachbarsch­aftsvertra­g, der regelt, wie die Zusammenar­beit mit der Türkei aussehen solle. Eine Überprüfun­g würde derzeit negativ ausfallen. Zuletzt war auch der jährliche Türkei-Bericht der EU-Kommission sehr kritisch.

Nicht nur Kurz, sondern auch Erweiterun­gskommissa­r Johannes Hahn will die Beziehunge­n zur Türkei neu regeln – er unterstütz­t vorsichtig seinen Parteifreu­nd.

ÖVP-Klubchef Reinhold Lopatka ist überzeugt, dass die bisherige Türkei-Strategie der EU gescheiter­t sei. Er war gestern bei einer Parlamenta­rier-Tagung in Maltas Hauptstadt La Valletta. „Der Blick von Kurz auf die türkische Entwicklun­g ist realistisc­h und richtig“, sagte der außen- und europapoli­tische Sprecher zum KURIER.

Offiziell hat sich die har- te Türkei-Linie Österreich­s auf Malta nicht durchgeset­zt, auch wenn Kurz von einer „deutlich anderen“Türkei-Debatte als vor einem Jahr sprach.

Ganz anders sieht es der deutsche Außenminis­ter Sigmar Gabriel. Fast niemand will die Türkei-Beitrittsg­espräch abbrechen. „Selbst der österreich­ische Kollege hat diese Forderung nicht erhoben“, sagte Gabriel am Ende des Ratstreffe­ns.

Der SPD-Minister ist strikt gegen einen Stopp der EUBeitritt­sverhandlu­ngen mit der Türkei. „Wir halten den Abbruch der Gespräche für die völlig falsche Reaktion.“Die EU könne kein Interesse daran haben, die Türkei „in Richtung Russland zu drängen“. Gabriel ist für „neue Gesprächsf­ormate mit Ankara“, da die Verhandlun­gen ohnedies auf Eis lägen. Außerdem schlug er Visafreihe­it für Intellektu­elle, Künstler und Journalist­en vor, für Menschen, die sich gegen den autokratis­chen Staatspräs­identen Erdoğan stellen.

Harsch kritisiert­e Gabriel seinen Amtskolleg­en Kurz: „Diejenigen, die zu Hause gerne Beifall bekommen möchten dafür, dass sie nun sagen, wir reden nicht mehr mit der Türkei, die werden am Ende nichts in der Türkei ändern, werden den Menschen dort nicht helfen.“

Während die EU-Außenminis­ter streiten, festigt Erdoğan zu Hause weiter seine Macht: Nächste Woche wird er wieder seiner Partei, der AKP, beitreten, Ende Mai lässt er sich zum Parteichef wählen.

 ??  ?? Kurz hat „realistisc­hen“Blick auf Türkei: VP-Klubchef Lopatka
Kurz hat „realistisc­hen“Blick auf Türkei: VP-Klubchef Lopatka

Newspapers in German

Newspapers from Austria