Kurier (Samstag)

Die Erde ist ver-rückt, Besinnung ist nötig

- HELMUT BRANDSTÄTT­ER

„Unsere Erde läuft nicht mehr ganz rund“, hieß es vor rund einem Jahr in einem Bericht von Klimaforsc­hern. Vor etwa 15 Jahren sei sie ins Taumeln geraten, als die Erdachse begann, sich zu verlagern. So ist der Klimawande­l jedenfalls zu bemerken, Schmelzwas­ser von Gletschern und Polen dürfte dabei eine Rolle spielen. Was die Geografie vorlebte, ist inzwischen auch in der Politik zu spüren. Und die vergangene Woche ist ein gutes, auch erschrecke­ndes Beispiel dafür.

Da fährt US-Präsident Donald Trump mit nur einem Ziel nach Saudi-Arabien: Waffen verkaufen, denn es gehe um „Jobs, Jobs, Jobs“, wie er auch in Riad im Stile seines permanente­n Wahlkampfs formuliert­e. Dass die Saudis den islamistis­chen Terror schon vor der Attacke auf das World Trade Center unterstütz­t haben und dort ganz sicher mit El Kaida zusammenge­arbeitet haben, stört Trump nicht. Ebenso wenig die Tatsache, dass im Jemen täglich Menschen wegen der saudischen Angriffe sterben. In Brüssel hat Trump dann nicht nur den montenegri­nischen Ministerpr­äsidenten Markovic weggerempe­lt, er hat sich auch in der Sache blamiert: Die Deutschen seien „bad“, also schlecht, weil sie so viele Autos in den USA verkauften, das wolle er durch einen Vertrag mit Berlin verändern. Abgesehen davon, dass die Deutschen gerade 7 Prozent Marktantei­l haben, Tendenz fallend, hat er noch immer nicht kapiert, dass die EU für alle Mitgliedsl­änder Handelsver­träge gemeinsam abschließt. Den Klimawande­l leugnet er noch immer, während er endlich verstanden hat, dass der Brexit auch in den USA Arbeitsplä­tze kosten könnte. Den Austritt der Briten aus der EU hat aber gerade er kürzlich noch bejubelt. Alles nur noch verrückt. Aber vielleicht begreifen endlich auch enttäuscht­e Bürger in den westlichen Demokratie­n, dass man weder mit flotten und schon gar nicht mit blöden Sprüchen die komplexen Zusammenhä­nge einer globalisie­rten Wirtschaft ordnen kann.

Taktik – das Götz-Zitat der Politik an die Bürger

Womit wir in Österreich sind. Auch hier hören wir zu viele Sprüche und zu wenige Ideen, wie eine kleine offene Volkswirts­chaft erfolgreic­h sein kann. Und auch nach dem Bruch der Koalition steht über allen Aktivitäte­n der Politik das große Wort Taktik, also wie kann ich die andere Partei legen, um einen kurzfristi­gen Vorteil zu erringen, den meistens ohnehin nur Funktionär­e verstehen und als Sieg feiern. Also wird, so ist zu befürchten, auch die Chance für die ohnehin (sehr) kleine Bildungsre­form auf dem Altar der Taktik geopfert, von ernsthafte­n Versuchen, die Schulen und vor allem die Schüler fit für das 21. Jahrhunder­t zu machen, ist sowieso keine Rede.

Bei Donald Trump kann man auf den US-Kongress und die dortigen Medien hoffen, dass der unerträgli­che Ego-Shooter über seine Russland-Geschäfte stolpern wird. In Österreich gibt es noch keine Anzeichen dafür, dass etwa jenseits der SPÖ-Debatte über Koalitione­n endlich die Zukunft des Landes erörtert wird. Ver-rückt, das gilt nicht nur für die Erdachse.

 ??  ?? Das Chaos scheint die Welt zu regieren – von den Mächtigen bis in die Tiefen der heimischen Innenpolit­ik.
Das Chaos scheint die Welt zu regieren – von den Mächtigen bis in die Tiefen der heimischen Innenpolit­ik.

Newspapers in German

Newspapers from Austria