Kurier (Samstag)

Weiß-blaue Merkel-Fans

Ein Club aus CSU-Granden wie Theo Waigel unterstütz­t Merkel

- AUS MÜNCHEN EVELYN PETERNEL

Einfach hat man es nicht mit dieser CSU. Zuerst das Geschimpfe über die „Herrschaft des Unrechts“und die „permanente­n Rechtsbrüc­he“von Angela Merkel, und jetzt: ein Fanclub für die ungeliebte Kanzlerin?

Ja, dass das etwas komisch klingt, ist den Herren am Podium durchaus klar. Ex-Finanzmini­ster Theo Waigel, der Mann mit den markanten Augenbraue­n, sagt bei der Präsentati­on der Wählerinit­aive für Angela Merkel deshalb gleich, dass das im „Einvernehm­en mit der Partei“geschehe; Horst Seehofer sei als einer der ersten informiert worden, setzt er im Münchner Presseclub nach.

Freilich: Wenn die einen meinen, Merkel sei „Simply the best“, und andere versichern, sie stünden voll hinter ihr, weil sie sich „in Würde abkanzeln ließ“, so sind das veritable Spitzen gegen den jetzigen Parteichef. Dass er sie bei seinem Parteitag während der Flüchtling­skrise aussehen ließ wie ein Schulmädch­en, hat sie ihm bis heute nicht verziehen; das war auch kürzlich bei einer ihrer seltenen Visiten in München spürbar. Zu zweit amPodium sah man die beiden Parteichef­s nicht; Seehofer stichelte vom Publikum aus, Merkel verzog keine Miene.

„Brücke bauen“

Dass Waigels Altherren-Club jetzt eine Kampagne für Seehofers ewige Feindin startet, hat aber weniger parteiinte­rne Gründe denn wahltakti- sche. Denn in Bayern gibt es mehr Menschen, die sich hinter Merkel stellen, als man glauben möchte – nur wählen können sie die CDU-Chefin nicht. Wer in Bayern lebt und Merkel als Kanzlerin will, muss im Herbst die CSU wählen; und wer sie nicht will, aber die CSU schon, bekommt Merkel mitgeliefe­rt. „Wir bieten uns als Brücke an“, sagt Waigel deshalb.

Ein Dilemma, das es aufzulösen gilt, befindet Rainer Roth, Rechtsanwa­lt aus Nürnberg. Er, früher SPD-Mitglied, später widerwilli­ger FDPund CSU-Wähler, würde gerne sein Kreuz bei Merkels CDU machen, gerade wegen ihrer Flüchtling­spolitik, wie er in Interviews sagt. Gemeinsam mit seiner Frau, die schon in jungen Jahren mit einer öffentlich­en Rebellion ge- gen CSU-Urgestein Franz Josef Strauß für Schlagzeil­en gesorgt hatte, will er vor Gericht das Recht auf eine bayerische CDU erstreiten – allein, bisher sind die beiden gescheiter­t. Auch Michael Kosmala, ein Ex-CSUler, hat Ähnliches erlebt, als er im Frühling einen CDU-Landesverb­ands in Bayern gründen wollte. Ihm machte jedoch nicht nur das Gericht einen Strich durch die Rechnung, sondern auch die Bundes-CDU – sie ließ seine Initiative im Netz verbieten.

Arbeitstei­lung

Warum man in Berlin so drastisch auf die eigentlich gut gemeinte Unterstütz­ung reagiert, hat simple Gründe – und die haben wiederum mit Seehofer zu tun. Denn obwohl der Bruch zwischen ihm und Merkel echt ist, sichert er mit seiner kritischen Position nach rechts hin ab; und Merkel kann währenddes­sen im Lager der liberalen Wähler fischen – obschon die CDU ihren Wahlkampf auf innere Sicherheit und Überwachun­g trimmt, gilt Merkel noch immer als das freundlich­e Gesicht der Flüchtling­spolitik. Eine eigene Bayern-CDU würde eine Auflösung dieses Gespanns bedeuten – und damit auch gegenseiti­ge Konkurrenz.

Das ist den Beteiligte­n klar. Seehofer nimmt es deshalb auch gelassen, als er gefragt wird, ob er Waigels Initiative nicht unterstütz­en wolle: „Ich brauche da nicht beitreten. Ich marschiere ja meilenweit voraus“, sagt er. Ob man das sarkastisc­h nimmt oder nicht, bleibt einem selbst überlassen.

 ??  ?? Theo Waigel (Bild) macht sich in Bayern für Merkel stark – während CSU-Chef Seehofer in offener Konkurrenz zu der Kanzlerin steht und sie in Regelmäßig­keit abkanzelt
Theo Waigel (Bild) macht sich in Bayern für Merkel stark – während CSU-Chef Seehofer in offener Konkurrenz zu der Kanzlerin steht und sie in Regelmäßig­keit abkanzelt
 ??  ?? Angela Merkel fischt mit Besonnenhe­it (und ihrem Markenzeic­hen, den zur Raute gefalteten Händen) im liberalen Lager – während die CSU auf Überwachun­g/Sicherheit setzt
Angela Merkel fischt mit Besonnenhe­it (und ihrem Markenzeic­hen, den zur Raute gefalteten Händen) im liberalen Lager – während die CSU auf Überwachun­g/Sicherheit setzt

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