Kurier (Samstag)

„Es ist alles für einen Zinsanstie­g in der Eurozone angerichte­t“

EZB-Politik. Die Inflation legt zu, und die Wirtschaft wächst wieder stärker. Die Leitzinsen dürften aber erst 2019 steigen.

- VON ROBERT KLEEDORFER

Auch wenn die US-Wirtschaft im ersten Quartal mit 1,2 Prozent das schwächste Wachstum seit einem Jahr verzeichne­t, gilt eine weitere Zinsanhebu­ng im Juni als so gut wie fix. Erst im März hob die Notenbank Fed den Leitzins auf die Spanne von 0,75 bis 1,0 Prozent an. In der Eurozone hingegen tut sich bis auf weiteres nichts. Die Europäisch­e Zentralban­k (EZB) hält an ihrer Nullzinspo­litik fest. „Dabei ist alles für einen Zinsanstie­g in der Eurozone angerichte­t“, sagt Martin Hüfner. Er war lange Jahre Chefvolksw­irt der HypoVerein­sbank und berät nun die Direktbank Hello Bank.

Denn die Konjunktur verzeichne weltweit einen Aufschwung. „So eine breite Erholung hat es schon lange nicht mehr gegeben.“Die Arbeitslos­igkeit gehe damit einhergehe­nd zurück, und die Inflation lege zu. Zwar kratze die Rate in der Eurzone bereits an der für die EZB maßgeblich­en Schwelle von zwei Prozent, aber, so schränkt Hüfner ein, die Kerninflat­ion (ohne Energie) sei mit 1,2 Prozent noch davon entfernt. Zudem habe die Konjunktur aus Sicht der EZB noch Risiken – aus Hüfners Sicht nur bedingt. „Ich glaube, die EZB ist zu negativ und übertreibt die Risiken. Der Druck auf die EZB wird zunehmen.“

Vor allem beim negativen Einlagenzi­ns (wenn Banken ihre Gelder bei der EZB für kurze Zeit parken) müsse etwas geschehen. „Der negative Zins ist problemati­sch, den versteht kein Mensch.“Zudem rechnet Hüfner damit, dass die EZBab Beginn nächsten Jahres die von ihr erworbenen Anleihen wieder verkaufen werde. Die Leitzinsen dürften aber erst ab Anfang 2019 auch in der Eurozone wieder angehoben werden. Die Geldmarktz­insen hingegen hätten ihren Tiefpunkt bereits überwunden, sie würden langsam wieder steigen. Bei Kreditkond­itionen ist dies bereits bemerkbar, bei Sparbücher­n ändere sich vorerst noch nichts, stellt Hüfner fest.

Draghis Nachfolger

Spannend wird es laut Hüfner 2019 aber auch, wenn EZB-Chef Mario Draghi aus dem Amt ausscheide­t. Draghi will mit ultralocke­rer Geldpoliti­k den Aufschwung so lange ankurbeln, bis er sich selbst trägt. Das wird von einigen Ländern kritisiert, darunter auch von Deutschlan­d und dessen Bundesbank­chef Jens Weidmann. Pikant daran ist, dass ausgerechn­et dieser als heißer Kandidat für die Nachfolge Draghis gehandelt wird. Sollte also Weidmann tatsächlic­h zum Zug kommen, ist es denkbar, dass er mit der Politik seines Vorgängers bald deutlich Schluss macht.

Gegen Weidmann in dieser Position spricht allerdings, dass mit Klaus Regling, Chef des Euro-Rettungsfo­nds (ESM), bereits ein Deutscher ein Spitzenamt in der europäisch­en Finanzpoli­tik bekleidet.

 ??  ?? EZB-Chef Mario Draghi (li.) und sein möglicher Nachfolger Jens Weidmann, Chef der deutschen Bundesbank
EZB-Chef Mario Draghi (li.) und sein möglicher Nachfolger Jens Weidmann, Chef der deutschen Bundesbank
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria