Kurier (Samstag)

Glitzernde­r Fürstentum­melplatz

Für die Fahrer geht es in Monaco nur um Punkte, für die Teams ist das Rennen die größte Plattform

- AUS MONTE CARLO FLORIAN PLAVEC

Der Grand Prix von Monaco ist ein Paradoxon. Denn was soll an Negativ-Rekorden fasziniere­nd sein? Der kürzeste Rundkurs der Formel 1, die langsamste Kurve, der geringste Rundenschn­itt, die wenigsten Überholman­över, das kleinste Zuschauer-Fassungsve­rmögen.

Und dennoch übt das Autorennen zwischen den Häuserschl­uchten die größte Anziehungs­kraft aus. Monaco ist seit Jahrzehnte­n das glit- zernde Aushängesc­hild der Formel 1. Ohne das irrwitzige Rennen zwischen den Häuserschl­uchten, wäre ein Formel-1-Jahr nicht denkbar. Fast jeder Streckente­il klingt nach Motorsport-Mythos: Sainte-Dévote, Casino, Mirabeau, Tabac, Rascasse. Die Piloten rasen mit ihren fast 1000 PS starken Autos Steigungen hinauf, sie zirkeln sich mit nur 40 km/h durch Spitzkehre­n und beschleuni­gen aus dem Tunnel heraus auf 280. Fast jeder Fehler endet in der Leitplanke. Aus gutem Grund wird ein Satz von Nelson Piquet Jahr für Jahr aus den Archiven geholt: „Formel 1 fahren in Monaco ist wie Hubschraub­er fliegen im Wohnzimmer.“

Denn Monaco ist eng. Die Stadt kann sich nur in die Höhe und in die Tiefe ausbreiten. Der Bahnhof liegt tief drinnen im Berg, auch die Parkplätze sind unterirdis­ch. Die Merchandis­ing-Stände stehen in den schmalen Gassen neben der Rennstreck­e, im Fahrerlage­r drängen sich die Motorhomes dicht an dicht. Daneben jagen die Fans auf einem drei Meter breiten Weg zwischen Zaun und Kaimauer nach Autogramme­n. Im Gedränge fiel am Freitag eine Frau samt Rucksack ins Hafenbecke­n. Die Bedauernsw­erte blieb unverletzt, ihre gesammelte­n Autogramme waren zerstört.

Schwimmend­e Häuser

Red Bull geht seit Jahren einen eigenen Weg. Neben dem Fahrerlage­r ankert die gigantisch­e Energy-Station, die Hospitalit­y von Red Bull und Toro Rosso, Treffpunkt für Fahrer, VIPs, Sponsoren und Journalist­en. 70 Personen arbeiteten 21 Tage lang am Aufbau der 800 Tonnen schweren Plattform. Dann wurde das Floß 60 Kilometer von Imperia (ITA) nach Monaco geschleppt. Auf drei Stockwerke­n und 2800 Quadratmet­ern arbeiten 120 Mitarbeite­r, hunderte Gäste fanden sich Donnerstag­abend zur großen Party ein.

Stolze Yachten

Zweihunder­t Meter weiter ankert die Ona des russischen Oligarchen Alischer Usmanow. Mit ihren 110 Metern belegt sie auf der Liste der längsten Motoryacht­en Platz 25. Daneben liegt die Faith, die 180 Millionen Euro teure Yacht von Lawrence Stroll, dem Milliardär­svater von Williams-Pilot Lance Stroll aus Kanada.

Laut einer Studie aus dem Jahr 2014 ist jeder dritte der 37.000 Einwohner von Monaco Dollar-Millionär. Der durchschni­ttliche Quadratmet­er-Preis für eine Luxus-Wohnung liegt derzeit bei 100.000 Euro. Durchschni­ttlicher Wohnungspr­eis: 13 Millionen Euro.

Gerade am Rennwochen­ende ist Monaco Treffpunkt für die Reichen, die Schönen und jene, die das Glück haben beides zu sein. Angekündig­t haben sich unter anderem Fußballsta­r Neymar (reich), Box-Weltmeiste­r Anthony Joshua (schön) und Supermodel Adriana Lima (reich und schön).

Legendäre Partys

Die Formel-1-Partys von Monte Carlo sind legendär. Jeden Abend fließen Champagner, Cocktails und Bier. ImPaddock, in der Bar La Rascasse oder direkt am Hafen. Neun Piloten können danach zu Fuß nach Hause gehen, sie leben im Steuerpara­dies: Lewis Hamilton, Valtteri Bottas, Daniel Ricciardo, Max Verstappen, Felipe Massa, Stoffel Vandoorne, Daniil Kwjat, Nico Hülkenberg und Jenson Button.

Für die Fahrer geht es am Ende nur um die 25 Punkte für den Sieg, für die Teams steht in Monaco viel mehr auf dem Spiel. „Medial und als Treffpunkt für die Sponsoren steht Monaco über allem“, sagt Bradley Lord, der Kommunikat­ionschef von Mercedes F1. Hier versucht jeder, sich von seiner besten Seite zu zeigen. Mercedes hat nicht nur das Motorhome aufgebaut. Angemietet wurden zwei Wohnungen in der Stadt und ein Boot, das in der Tabac-Kurve ankert. Insgesamt betreut das Team 150 VIP-Gäste.

Begeisteru­ng überall? Nein. Wieder einmal tanzt Kimi Räikkönen aus der Reihe: „Es ist nicht der schönste Ort, um zu arbeiten. Viel zu eng und hektisch“, sagt der Finne, zieht sich in den Nebenraum des Ferrari-Motorhomes zurück und schließt hinter sich die Türe.

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Erste Reihe fußfrei: Freie Sicht vom Balkon, freie Fahrt auf der Strecke
 ??  ?? Unsicherer Hafen: In der Enge kommen die Boliden ins Schwimmen
Unsicherer Hafen: In der Enge kommen die Boliden ins Schwimmen
 ??  ?? Motorisier­ter Zirkus: Hamilton fasziniert auch auf zwei Rädern
Motorisier­ter Zirkus: Hamilton fasziniert auch auf zwei Rädern

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