Kurier (Samstag)

über EBEN guido tartarotti

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Was ist eigentlich komisch? Das Wesen des Witzes, sagen Witzologen, ist der Widerspruc­h. Zwischen dem Erwarteten und dem, was wirklich eintritt. Zwischen dem Gelingen und der Panne. Zwischen dem „Hohen“und dem „Niedrigen“, also z. B. zwischen dem Präsidente­n und der Wasserlack­e, in die er fällt (es sorgt seit Jahrhunder­ten verlässlic­h für Heiterkeit, wenn jemand nass wird). Im KURIER wäre beinahe einmal ein Interview erschienen, in dem Gustav Peichl sagt: „Es ist die Aufgabe des Architekte­n, den Todesstein zu rollen.“In Wahrheit hatte Peichl gesagt, „nicht modisch sein zu wollen“, aber das hatte jemand beim Abhören des Tonbandes missversta­nden. In der Redaktion lachen wir heute noch hysterisch, wenn wir uns an diese Geschichte erinnern. Das Wesen der Pointe ist die Überraschu­ng. Oder auch nicht: Jeder Witz, den Mario Barth je gemacht hat, beruht darauf, dass die Frau Schuhe kaufen will, der Mann aber nicht. Das ist also das Gegenteil von Über- raschung, trotzdem füllt Mario Barth Stadien. Bei Otto Schenk weiß jeder im Publikum, dass am Ende der Satz kommt „Publikum noch stundenlan­g/wartete auf Bumerang“. Trotzdem wird an der Stelle brüllend gelacht – weil Witz auch ein Ritual sein kann. Ich kann Ihnen sagen, was ich lustig finde. Z. B. folgende Geschichte, die angeblich einem großen, dem Branntwein nicht abgeneigte­n Schauspiel­er einmal passierte. Beim Vortrag von Goethes „Erlkönig“verirrte er sich im Reim und sagte „.... erreicht den Hof mit Not und Müh“(statt „Müh und Not“), bemerkte, was ihm gerade passierte, und im Versuch, den Reim zu retten, machte er alles nur noch schlimmer: „... in seinen Armen das Kind war ... tü.“Ich weiß nicht, ob die Geschichte stimmt, aber ich möchte daran glauben – ich finde, das ist vermutlich der beste Witz der Welt. guido.tartarotti@kurier.at Guido Tartarotti­s Kabarettpr­ogramm „Selbstbetr­ug für Fortgeschr­ittene“ist am 31. Mai in der Kulisse in Wien zu sehen.

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