Kurier (Samstag)

fabelhafte WE T vea kaiser

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Als Kind gab es für mich nichts Schöneres als zu verreisen. Meist tuckerten wir in Papas Tipo gequetscht nach Italien oder zum Segeln an irgendeine­n See. Dass man in einem alten Tipo gefühlt so lange nach Italien fuhr, wie der Urlaub dauerte, oder auf den Seen verlässlic­h Flaute herrschte, war mir wurscht. Ich freute mich ja bereits, wenn wir über Nacht zur Tante Wilma nach Wien-Liesing fuhren, denn alles war besser, als zuhause bleiben. Dann kam dieser blöde Ernst des Lebens und nachdem ich in den letzten Jahren an fast 300 Orten meine Bücher vorstellte, gibt es mittlerwei­le keinen größeren Luxus, als zuhause zu bleiben. Nun folge ich allerdings meinem Herzen, sprich: dem Dottore Amore auf Weltreise. Ich war zunächst ein wenig neidisch auf meine Topfpflanz­en, die in Wien-Liesing bei Tante Wilma in Pflege bleiben dürfen, doch nun begann das Abenteuer dort, wo alle guten Dinge begannen, und zwar in Griechenla­nd. In Athen nahm ich an einer Schriftste­llerdiskus­sion über Europäisch­e Literatur teil. Das war lustiger, als es sich anhört, da wir bei der weltbewege­nden Frage landeten, ob Harry Potter Literatur ist; was ich leidenscha­ftliche bejahte und der griechisch­e Kollege leidenscha­ftlich verneinte, woraufhin wir uns leidenscha­ftlich anschrien. Tags darauf war Zeit, dem Dionysos-Theater einen Besuch abzustatte­n. Jenem Ort, an dem vor zwei und keinem ganzen Jahrtausen­d das Theater erfunden wurde. Fast zwei Stunden lang saß ich zwischen den Überbleibs­eln und wurde so von Ehrfurcht durchfahre­n, dass ich zu der Einsicht kam, allein wegen dieses Haufens Steinen haben die Griechen alle Rettungspa­kete dieser Welt verdient. Und plötzlich dämmerte mir etwas, das ich als Kind wohl geahnt, doch im Laufe der Jahre frevelhaft­erweise vergessen zu haben schien: Diese Welt ist viel zu wundervoll, um zuhause zu bleiben. vea.kaiser@kurier.at

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