„Die Alternative wäre gewesen,
Der Salzburger Andreas Kaufmann erzählt, wie er die legendäre Marke vor der Pleite bewahrt hat. Und wie aus einem linken Revoluzzer ein Luxusproduzent wurde
Andreas Kaufmann ist nicht nur Leica-Eigentümer. Er ist auch ein wandelnder Werbeträger: Um den Hals eine Leica TL, am Revers das Logo, in den Manschetten-Knöpfen „0.95“eingraviert. Ein Insidergag: Die Zahl verweist auf die lichtstärksten Leica-Objektive. Der Salzburger Milliardenerbe hat die Fotografiemarke vor der Pleite bewahrt. Und bemerkenswert saniert. KURIER: Von Leica gibt es neuerdings Kopfhörer. Gibt es Grenzen, wozu die Marke passt? Andreas Kaufmann: Natürlich, Hamburger wird es von uns nicht geben. Leica ist eine deutsche High-End-Marke. Die Preise sind luxuriös, aber dafür gibt es gute Gründe. Unsere Kopfhörer heißen 0.95, das ist eine Submarke für hochwertige Dinge, die zu uns passen. Denn Fotografen wissen: 0.95 ist besser als 1. Sie haben einen Vertrag mit Huawei bis 2021, integrieren Leica-Kameras in die Smartphones. Ist der Massenmarkt nicht eine Gratwanderung?
Gar nicht. 80 Prozent der Leute sind mit diesen Fotos zufrieden. 20 Prozent wollen mehr Kontrolle über die Tiefenschärfe, bessere Farben – für sie gibt es Kameras. Den Handytrend haben wir schon 2006 erkannt. Dass Fotografie mobiler wird, ist ein ureigenes Leica-Revier. Leica hat das Kleinbildformat erfunden. Was hat Sie so sicher gemacht, dass die Marke mit Digitalkameras funktioniert?
Es lassen sich immer tausend Gründe finden, warum etwas nicht funktionieren wird. Bei Leica waren Kompetenz, eine Marke und Knowhow vorhanden – mehr als nach außen bekannt. Damit ließ sich was anfangen. Nehmen Sie eine schöne österreichische Marke: Ingelen. Die Radios standen in jedem gutbürgerlichen Haushalt. Lässt sich das wiederbeleben? Nein, es ist leider nichts mehr da. Die Leica-Kompetenz lag doch bei Optik und Mechanik, nicht bei digitaler Fotografie, oder?
Doch. Was immer übersehen wird: Leitz hat ab den 1960ern Elektronikbauteile entwickelt und gefertigt. Eine erste Digitalkamera wurde 1996 produziert, da hatten andere noch gar keinen Plan. Eine Leica M10 kostet 7000 Euro, ohne Optik. Wer kauft die?
Wer kauft einen Porsche, wo es auch Hyundai gibt? (lacht) Wer sich auskennt, der weiß, wie Leica seine Objektive baut. Und für die anderen ist es eh wurscht. Das Einfangen des Lichtes ist weiterhin eine große Kunst. Ist Zeiss, die andere deutsche Optikmarke, für Sie ein naturgegebener Konkurrent?
Nein, überhaupt nicht. Zeiss betrachten wir als ganz interessanten Produzenten, der in Deutschland fast nichts mehr herstellt. Das ist alles nach Japan ausgegliedert. Leica produziert doch auch nicht mehr alles in Deutschland.
Was kein Geheimnis ist. Wir haben seit 1973 eine Vorfertigung in Portugal für arbeitsintensive Vorgänge. Die Assemblierung, das Testen, die hochwertige Technologie laufen in Deutschland. Deshalb mussten wir nie nach China gehen, das wäre idiotisch gewesen. Die Einstiegskameras kommen seit 2001 von Panasonic aus Japan. Wir stellen Kleinserien her, bei uns können keine 300.000 Kameras vom Band purzeln. Ist Leica heute dauerhaft über den Berg? Sodass das Geschäftsmodell auch in fünf oder zehn Jahren noch tragfähig ist?
Auf fünf Jahre lautet die Antwort ganz klar: Ja. Was in zehn Jahren ist, weiß heute kein Mensch. Wir gehen davon aus, dass es Leica auch dann noch gibt, weil das Einfangen des Lichts in großen Sensoren Sinn macht. Sie waren früher Waldorf-Pädagoge, was oft wie eine kuriose Fußnote Ihrer Vita erwähnt wird. Wie sehen Sie das selbst?
Ja, offenbar gilt das als exotisch. Andere waren viel- leicht Pfadfinder, Hundezüchter oder verbrachten die Jugend auf der Alm. Das ist Teil der Biografie, aus. Aber sagt die Berufswahl nicht etwas über den Menschen aus?
Das war Anfang der 70er, da war man links und wollte die Welt verändern. Studiert habe ich dann halt Literaturwissenschaft und Politologie, irgendwann ist dabei ein Job herausgekommen. Was hat Sie dann zu Ihren Management-Aufgaben befähigt?
Ich stamme aus einer Unternehmerfamilie. Die Haltung war: Verlangt wird Verantwortung für die Arbeitsplätze und Einsatz, den Rest kann man lernen. Die andere Variante wäre gewesen, das Erbe zu verjubeln. 1998 habe ich eine E-Commerce-Firma gegründet, die 2001 wie andere auch an die Wand gefahren ist. Da lernt man rasch. Dass Sie 2002 nach Österreich übersiedelt sind, hatte vermutlich steuerliche Gründe, oder?
Wieso? Unsere Firma Frantschach, heute Mondi, war immer in Österreich. Ich habe mich verschlechtert. Haben Sie durch Österreichs Stiftungsgesetze denn heute gar keine Vorteile mehr?
Ich hatte schon damals keine. Als Angestellter meiner Firma würde ich in Deutschland netto mehr verdienen. Aber wenn man mich fragt, woher ich komme, sage ich: aus Salzburg. Die Wurzeln lagen immer in Süddeutschland und Österreich. Am liebsten hätte ich beide Pässe, aber das geht aus österreichischer Sicht nicht. Österreich hat keine Erbschaftssteuer, aber eine ständige Debatte darüber. Was spricht aus Ihrer Sicht dafür?
Für die Debatte gar nichts (lacht). Für die Steuer? Eine Erbschaftssteuer heißt, dass nach dem Eintritt des Todes der Eigentumsbegriff aufgehoben ist. Warum das so sein soll, konnte mir bisher niemand intellektuell begründen. In Österreich und Deutschland spricht ganz wenig dafür, weil 80 Prozent der Firmen Familienbetriebe sind. Gibt es da keine Vorsorge, müsste ein Teil der Firma verkauft werden.