Doppelmord vor Klärung Sportschützen: Zoll blockiert Nationalteam
Deutsche Ermittler haben einen Verdächtigen für die Morde an Lucile K. und Carolin G. gefasst Waffen.
Das tragische Schicksal von Lucile K. ist in Kufstein bis heute nicht vergessen. Immer noch werden von Zeit zu Zeit Blumen an jener Stelle der Innpromenade abgelegt, an der die Leiche der französischen Austauschstudentin am 12. Jänner 2014 von Polizisten gefunden wurde. Ein Unbekannter hatte die 20Jährige in der Nacht zuvor mit einem Stahlrohr erschlagen und möglicherweise versucht, sich an ihr zu vergehen.
Der ungeklärte Fall lag den Tiroler Ermittlern nachhaltig im Magen. Nun könnte das Rätsel geklärt sein. Die deutsche Polizei hat am Freitag einen Verdächtigen gefasst, der als Mörder von Carolin G. infrage kommt. Die 27-jährige Joggerin wurde im November 2016 in Endingen bei Freiburg (BadenWürttemberg)vergewaltigt und ermordet. DNA-Spuren aus beiden Fällen führten zum Schluss, dass beide Frauen Opfer desselben SexualTäters wurden.
Fernfahrer in Haft
Wie die Bild- Zeitung am Freitagabend berichtete, soll es sich bei dem Festgenommenen um einen rumänischstämmigen Fernfahrer handeln, der im Raum Freiburg arbeitet. Weder die deutschen noch die Tiroler Kriminalisten wollten am Freitag Details rund um die Verhaftung des Mannes bekannt geben. Für heute Samstag, 15 Uhr, wurde jedoch bereits eine Pressekonferenz in Endingen – Schauplatz des zweiten Mordes – festgesetzt.
Sollte sich der Tatverdacht bestätigen, hat sich die Prognose von Walter Pupp, Chef des Landeskriminalamts Tirol, erfüllt. „Der Ermittlungserfolg wird kommen“, hatte der erfahrene Kriminalist im Jänner dieses Jahres gemeint, als die Verbindung zwischen den beiden Fällen bekannt wurde. Das Zusammenführen der Spuren von beiden Tatorten würde neue Chancen eröffnen, erklärte Pupp damals. Die Ansätze der Polizisten scheinen genau in die richtige Richtung gegangen zu sein. Bereits nach dem Mord an Lucile hatte die gefundene Tatwaffe – eine Eisenstange, wie sie zum Absenken von Lkw-Kabinen verwendet wird – den Verdacht genährt, dass es sich beim Täter um einen Fernfahrer handeln könnte.
Die große Entfernung zwischen den beiden Tatorten von rund 400 Kilometern hat diese Theorie erhärtet. „Wir haben es mit einem hochmobilen Täter zu tun“, erklärte Pupp. Nochdazufanden beide Verbrechen an einem Sonntag statt – also an Tagen, an denen ein LkwFahrverbot herrscht. Die Ermittler mochten nicht ausschließen, dass der Mörder auch schon in anderen Ländern zugeschlagen haben könnte. Sollte der Täter nun tatsächlich gefasst sein, ist ein Mann von der Straße, den die Ermittler als höchstgefährlichen und hochgradig gestörten Sexual-Verbrecher eingestuft haben.
Die „Soko Erle“in Deutschland hatte mit einem Phantombild nach dem Unbekannten gesucht, das auch Ähnlichkeiten zu einem Phantombild aufwies, das nach dem Mord an Lucile von den Tiroler Ermittlern erstellt wurde.
Für Kufsteins Bürgermeister Martin Krumschnabel wäre die möglichen Klärung dieser Bluttat in seiner Stadt „eine Riesenerleichterung. Diese Tragödie hat eine offene Wunde in Kufstein hinterlassen“.
Der Mord an der Austauschstudentin Lucile K., für den es kein augenscheinliches Motiv gab, hatte die Bevölkerung in der sonst so beschaulichen Stadt massiv verunsichert. Wieder eine Weltmeisterschaft, bei der Österreich nicht dabei ist – diesmal aber wirklich unverschuldet. Die neun Sportschützen des Nationalteams hatten sich nämlich in mehreren Wettbewerben für die Weltmeistersschaft in Moskau qualifiziert.
Am Freitag um 10.05 Uhr ging der Flug in die russische Hauptstadt aber nur mit einem Teil des Teams und ohne Waffen – im Terminal in Wien-Schwechat wurden die Sportler nämlich von Zollbeamten abgefangen.
„Plötzlich hat es geheißen, dass wir mit unseren Waffen nicht fliegen dürfen“, erklärte Mario Kneringer, der Präsident und Teamchef des Vereins. Dabei hatte sich das Team vorab beim zuständigen Ministerium für Wirtschaft informiert und folgende Info bekommen: Es bestehe eine eigene EU-Richtlinie, die es möglich mache, dass Sportschützen mit ihren Waffen auch in Drittländer ausreisen dürfen.
Kein Antrag gestellt
Die Waffen einfach zu Hause zu lassen und in Russland neue auszuborgen war keine Option. „Das wäre so, als würde man Marcel Hirscher mit Leihski in Kitzbühel fahren lassen.“Außerdem hätte man vor Wochen eine Genehmigung in Russland besorgen müssen. Das Team setzte Freitagfrüh alle Hebel in Bewegung, um doch noch fliegen zu können – vergeblich. Die Waffen blieben alle in Österreich, gemeinsam mit vier Teammitgliedern. Fünf Schützen flogen trotzdem nach Moskau. Nun hofft das Team auf das Wirtschaftsministerium; dessen Sprecher sieht das Versäumnis bei den Schützen. „Es wurde kein Antrag für den Transport der Waffen gestellt. Vielleicht ist es aber möglich, das noch zu organisieren“, sagt Ministeriumssprecher Wolfgang Schneider.
Diese Version der Ereignisse will der Rechtsvertreter des Teams nicht kennen, denn: „Herr Kneringer hat sich zeitgerecht beim Wirtschaftsministerium informiert. Es gab offenbar Verwirrung um die Zuständigkeit. Dann wurde mitgeteilt, dass Sportschützen von den Regelungen zur Waffenausfuhr ausgenommen sind“, sagt Raoul Wagner. Ob das Nationalteam noch am IPSC Rifle World Shoot 2017 teilnehmen kann, ist fraglich.