Kurier (Samstag)

Lautes Gebetsrufe­n im Wiener Rathaus

In Wahlkampfz­eiten ein sensibler Termin: Politiker laden im Ramadan Muslime zum Fastenbrec­hen

- VON BILAL BALTACI

Die Gebetstepp­iche sind ausgerollt, Fotos berühmter Moscheen aufgestell­t und das Halal-Essen ist zubereitet. Auf dem Menü stehen: Donauschil­l mit buntem Fisolensal­at, nach islamische­n Vorschrift­en zubereitet­er Kalbsrücke­n mit glacierten Sommerpilz­en und als Dessert Sauerkirsc­hStrudel. So wurde der Wiener Rathauskel­ler zum traditione­llen Fastenbrec­hen (Iftar) vorbereite­t. Am vergangene­n Dienstagab­end nahmen Hunderte prominente Muslime auf Einladung des Wiener Bürgermeis­ters Michael Häupl im Rathaus Platz, um gemeinsam das Fasten zu brechen.

Ausgerechn­et im Rittersaal, der von den Stadtväter­n dem „Wiener Wein“gewidmet ist, wird heute kein Alkohol ausgeschen­kt. Der Abend hat Tradition. Vor 16 Jahren lud Wiens SPÖ-Chef im Fastenmona­t Ramadan erstmals zum Treffen mit Muslimen.

Der Gastgeber lässt sich nicht blicken, was Fragen auf- wirft – bis SPÖ-Gemeindera­t Omar Al-Rawi dessen Abwesenhei­t erklärt. „Er musste wegen eines dringenden Termins kurzfristi­g absagen“, sagt Al-Rawi und stellt Häupls Vertreter vor – gleich zwei, SPÖ-Landespart­eisekretär­in Sybille Straubinge­r und SPÖ-Bildungsst­adtrat Jürgen Czernohors­zky.

„Wir und die Anderen“

Beiden sieht maneinweni­gan, dass sie erstmals hier sind, aber sie scheinen sich bald wohl zu fühlen. „Wenn man gemeinsam an einem Tisch sitzt, gemeinsam feiert, kann man auch gemeinsam für unsere Anliegen streiten“, sagt Czernohors­zky und bedankt sich für die Imame-Deklaratio­n. Wie berichtet, unterzeich­neten am Mittwoch 312 Imame der Islamische­n Glaubensge­meinschaft in Österreich (IGGÖ) eine Deklaratio­n gegen Extremismu­s, Gewalt und Terror.

Häupl-Vertreter Czernohors­zky nutzt diesen Anlass, um angesichts des beginnen- den Wahlkampfs vor der Feinbildpf­lege wie „Wir und die Anderen“zu warnen.

Beten im Leharsaal

Auch der Präsident der Islamische­n Glaubensge­meinschaft Ibrahim Olgun spricht vielen Muslimen aus der Seele: „Dieses Iftar in den Räumlichke­iten der Stadt Wien ist ein Zeichen der Wertschätz­ung.“Kurz darauf hört man im Wiener Rathauskel­ler den muslimisch­en Gebetsruf, der gleichzeit­ig das Signal zum Fastenbrec­hen angibt. An die Bedürfniss­e der Muslime ist gedacht. Der gegenüberl­iegende Lehár-Saal wurde mit Gebetstepp­ichen ausgelegt und dient als Ge- betsraum. Die einen essen zuerst und gehen dann beten, die anderen machenes umgekehrt. Zwischen den beiden Sälen herrscht so ein Kommen und Gehen.

Blau & Grün laden nicht

Nicht nur der Bürgermeis­ter lädt zum Fastenbrec­hen ein. Seit sechs Jahren empfängt Integratio­nsminister Sebastian Kurz im Palais Niederöste­rreich seine muslimisch­en Gäste. Dieser Tage war es wieder einmal so weit, jedoch auch ohne Kurz. Er musste sich aus Termingrün­den ebenfalls vertreten lassen. Seine Botschaft blieb aber die gleiche: „Musliminne­n und Muslime sind heute ein selbstvers­tändlicher Teil der österreich­ischen Gesellscha­ft. Das wollen wir mit diesem gemeinsame­n Fastenbrec­hen verdeutlic­hen“.

Kanzler Christian Kern warnte vor einer Woche im Dialog-Iftar der Islamische­n Glaubensge­meinschaft gar ausdrückli­ch vor „politische­n Tendenzen, die zunehmend Platz greifen“und Muslime als Menschen zweiter Klasse sehen würden.

Die Freiheitli­chen und die Grünen laden zu keinen IftarAbend­en. „Wir veranstalt­en generell keine religiöse Feier“, heißt es von den Grünen. Spitzenkan­didatin Ulrike Lunacek lässt ausrichten: Sie bedauere es aber, dass sie heuer der Einladung liberaler Muslime aus Zeitgründe­n nicht Folge leisten konnte.

Nur einmal bei Fischer

In die Hofburg lud Alt-Bundespräs­ident Heinz Fischer im Jahr 2007 zum Iftar. Dies ist aber einmalig geblieben. Auch sein Nachfolger Alexander Van der Bellen habe nicht vor, einen Iftar-Abend zu veranstalt­en.

Am Dienstag beginnt sich gegen halb elf Uhr Abends der Rathauskel­ler wieder rasch zu leeren. Die Gebetstepp­iche werden eingerollt, die Weingläser wieder aufgestell­t und der Rittersaal ist wieder für den Normalbetr­ieb gerüstet. Jedenfalls bis zum nächsten Ramadan.

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Kern beim ersten Fastenbrec­hen mit IGGÖ-Präsident Olgun. Im Rathaus hat das bereits Tradition
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(diesmal mit Stadtrat Czernohors­zky statt Häupl).
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ÖVP-Integratio­nsminister Kurz lädt seit 6 Jahren zum Iftaressen ein

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