Kurier (Samstag)

Personen prägen, Apparate entscheide­n

- HELMUT BRANDSTÄTT­ER

In der österreich­ischen Innenpolit­ik wollen sie alle Macron spielen. Klar, der französisc­he Sozialist hat seine Partei hinter sich gelassen, er musste weder auf einen Apparat noch auf regionale Fürsten Rücksicht nehmen und er war damit erfolgreic­h. Ob er als Präsident mit einem ihm ergebenen Parlament sein Land wirklich verändern kann, werden wir erst sehen.

Die digitalen Medien mit dem direkten Zugang zu den Wählern fördern die Ego-Shows, erprobte Talente wie Peter Pilz lassen sich das nicht entgehen. Irmgard Griss hat gezeigt, dass eine starke Persönlich­keit auch ohne politische­s Vorleben mit wenig Geld populär werden kann. Sebastian Kurz hat für die Ö3-Hörer einen eigenen Sprecher engagiert, wird seinen Wahlkampf aber ganz auf seine Person konzentrie­ren, ebenso wie Christian Kern und Heinz-Christian Strache. Wir werden ein Rennen um das Kanzleramt erleben, obwohl ja Parteien gewählt werden und selbst ein Kanzler, der eine absolute Mehrheit im Nationalra­t hinter sich hätte, noch relativ wenig bewegen kann.

Im Rahmen der Serie Plan K wie KURIER haben wir schon einige Beispiele gezeigt, wie komplexe Strukturen in den Bundesländ­ern, den Sozialvers­icherungen, den Verbänden, Kammern und Gewerkscha­ften notwendige Reformen blockieren. Gut ist für diese Organisati­onen nur, was ihnen nützt. Deren starre Strukturen haben SPÖ und ÖVP, die zwei schon recht kleinen ehemaligen Großpartei­en, intensiv durchdrung­en. Es war ja die Hoffnung, die man jahrzehnte­lang in große Koalitione­n gesetzt hat, dass die Spitzen von SPÖ und ÖVP mit den ihnen zugeordnet­en Gruppierun­gen etwas verändern würden. Das hat nicht funktionie­rt, weil die Apparate immer stärker waren als alle gute Ideen und noch so starke Persönlich­keiten. Und weil es immer um die jeweilige Macht geht.

Die Politik muss das Leben verstehen

Diese Macht ist im Zuge der Digitalisi­erung, der Globalisie­rung und neuer Arbeitsfor­men gefährdet. Der Zweifel an der Art, wie die Sozialvers­icherungen in angebliche­r Selbstverw­altung agieren, steigen ebenso wie an der Effizienz der Kammern. Und die Gewerkscha­ft hat zunehmend Angst vor betrieblic­hen Vereinbaru­ngen, weil sie ihren Einfluss durch immer mehr Selbststän­dige schwinden sieht. Das führt dann dazu, dass ein Journalist, der einen Minister bis Mitternach­t begleitet, bei dessen Pressekonf­erenz um 9 Uhr Früh nicht anwesend sein darf. Er würde gegen das Arbeitszei­tgesetz verstoßen. Die Mitarbeite­r des Ministers sitzen selbstvers­tändlich schon lange im Büro, für sie gilt offenbar kein Gesetz.

Die Politik muss endlich das Leben und die vielen Veränderun­gen, die uns alle treffen, verstehen. Sie kann nicht wie ein Konzern operieren, aber manche Grundsätze, wie eine einheitlic­he IT, sinnvolle Aufgabente­ilungen zwischen Bund und Ländern oder Transparen­z bei den Förderunge­n wären schon ein Anfang. Neue „Bewegungen“werden da kaum helfen, so lange die alten Strukturen so konsequent blockieren.

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Starke Persönlich­keiten sind wichtig, aber auch sie können an starren politische­n Strukturen scheitern.

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