Schwul und konservativ, na und?
Zuletzt zeigte auch Deutschland vor, was in Österreich unmöglich scheint: Während dort die Bastion fiel, bleibt das Thema hier ein Tabu.
Kurz vor acht Uhr, Stefan Kaufmann, CDU-Abgeordneter, meldet sich via Video-Botschaft aus dem deutschen Plenarsaal. „Auf der Tribüne sitzen heute Menschen, die jahrelang dafür gekämpft haben, so wie ich auch.“Kaufmann meint damit einen Kampf, der auch in der eigenen Partei stattfand. Seit Jahren blockierte die UnionsSpitze jegliche Debatte zur gleichgeschlechtlichen Ehe. Damit ist Schluss. Eine große Mehrheit der Abgeordneten stimmte für die Ehe für alle.
Nun hat man in Deutschland also das geschafft, was in Österreich zuletzt scheiterte: Noch am Mittwoch versuchte die SPÖ mit den Grünen und den NEOS einen gesetzlichen Schritt zu erzwingen, scheiterte aber an ÖVP, FPÖ und Team Stronach.
Die Entscheidung in Deutschland wollte die ÖVPSpitze auf KURIER-Anfrage nicht kommentieren. Das überrascht nicht. Was im Nachbarland undanderen EUStaaten Alltag ist, nämlich die Zustimmung zur gleichgeschlechtlichen Ehe und das Bekenntnis von Politikern zu ihrer Homosexualität, negiert die ÖVP.
Woran das liegt, weiß Politologe Franz Fallend von der Universität Salzburg. „Österreich ist, im Gegensatz zum stärker protestantisch geprägten Deutschland, stärker konservativ und katholisch geprägt, das schlägt sich in der ÖVP nieder. Liberale Positionen haben sich bisher nicht durchgesetzt.“Auch im laufenden Wahlkampf bleibt die ÖVP ihrer strikten Linie treu. „Man will einerseits keine älteren Wähler auf dem Land verschrecken. Auf der anderen Seite rittert die ÖVP mit der FPÖ darum, wer konservativer ist.“Ähnlich sieht es auch ein Kenner der Partei, der anonym bleiben will: „Der ÖVP war das Thema nie wichtig. Und bei der Homo-Ehe handelt sie aus taktischen Gründen. Sie hat Angst, Stimmen an die FPÖzu verlieren. Dabei wären sie gut beraten, es wie die CDU zu machen.“Denn Merkel und die Union sind das Thema nun los. Eine Strategie, die aufging – innerhalb der CDU votierte jeder Vierte dafür.
Auch Sven Pöllauer, ÖVPFunktionär und ehemals Sprecher von VP-Familienministerin Sophie Karmasin, findet es richtig. Er bezeichnet sich als schwul und konservativ – und sieht darin keinen Widerspruch. Mit der Situation in Österreich kann er gut leben. „Ich halte die Verpartnerung für das modernere Rechtsinstitut als die Ehe. Was zählt, ist das gleiche Recht.“Aus seiner Sicht habe sich die ÖVP in den vergangenen Jahren geöffnet – nicht immer ist sich die Partei einig. Als sich etwa Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter für ein Adoptionsrecht für Homosexuelle aussprach, erteilte ihm der damalige Generalsekretär Gernot Blümel eine Absage. Obwohl die ÖVP beim Thema Homosexualität keine Linie vertritt, sieht Pöllauer für sich und andere schwule ÖVPPolitiker keine Alternative. „Wirtschaftspolitisch vertreten sie meine Meinung.“
Keine Coming-Outs
Was die ÖVP für ihn nicht bietet, ist ein eigener Verband, wie etwa die LSU (Lesben und Schwule in der Union). Sich zu outen, ist in der Volkspartei nach wie vor ein Problem. „Die Kultur ist anders als in Deutschland“, sagt Pöllauer. Zudem sei es vielen zu persönlich – sie haben Angst, darauf reduziert zu werden.
Ein ÖVP-Insider hält es für schwach, dass es bisher niemand geschafft hat, sich zu bekennen. „Ein ComingOut wäre positiv, das macht Menschen authentisch und würde der politischen Karriere sogar nützen.“
Das zeigte sich in Deutschland oder anderen Ländern, wo sich Politiker zu ihrer Homosexualität bekennen, wie Berlins Ex-Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD). Jüngstes Beispiel: Leo Varadkar, irischer, konservativer Premierminister. In Irland haben zudem 62 Prozent für die gleichgeschlechtliche Ehe votiert – eine Zeitenwende für das katholisch geprägte Land.
War das deutsche Votum auch eine Zeitenwende für die CDU? Nicht ganz. Zwar brachte Merkel das Thema auf, stimmte aber dagegen. „Für mich ist die Ehe im Grundgesetz die Ehe von Mann und Frau“, sagte sie nach der Abstimmung. Dennoch regnete es zum Schluss Konfetti im Reichstag.