Kurier (Samstag)

Keine Angst vor dem Videobewei­s!

- PAUL SCHARNER

Es ist nur logisch, dass der Fußball als Gelddruckm­aschine alle technische­n Hilfsmitte­l nutzen muss. Für die meisten Diskussion­en beim Confederat­ions Cup sorgen nicht die Spiele, sondern eine Neuerung: der Videobewei­s. Ich finde es richtig, dass dieses Hilfsmitte­l in Russland getestet wird: Das ist an sich eine große Bühne, aber eigentlich will dort eh kaum jemand spielen. Also genau der richtige Rahmen, um diese Möglichkei­t für die WM 2018 auszuteste­n.

Logisch, dass – außer bei der offizielle­n Beurteilun­g durch die FIFA – nicht sofort alles passt. Kinderkran­kheiten sind bei einem doch schwer- wiegenden Eingriff kaum zu vermeiden. Vor allem die Dauer der Unterbrech­ungen ist nicht optimal: Das dauert bis zu zwei Minuten, das ist zu lange.

Rasante Veränderun­g

In Österreich leben die älteren Generation­en ja oftmals in der Vergangenh­eit. Sie ignorieren, dass sich der Fußball in den vergangene­n Jahrzehnte­n – sagen wir einmal seit Córdoba 1978 – schon grundlegen­dend gewandelt hat. Der Fußball wurde zu einer Maschineri­e, die wie eine Gelddrucke­rei funktionie­rt.

Deswegen geht es bei Fehlern, die durch das Video mittlerwei­le zu korrigiere­n wären, oft um Millionen. Den Lattenschu­ss von Lampard bei der WM 2010 für England gegen Deutschlan­d hat die ganze Welt hinter der Linie gesehen – nur der Schiedsric­hter nicht.

Natürlich ist es ein Argument, zu sagen: Der Fußball muss überall gleich ablaufen. Auch in einer Amateurlig­a sollen die Regeln und Durchführu­ngsbestimm­ungen wie in einem Finale der WM gelten. Ich halte dagegen: Wenn schon das Fair Play so hochgehalt­en wird, müssen auch alle Tore korrekt fallen oder annulliert werden, sofern das technisch möglich ist. Alles andere ist in Zeiten von digitalen Analysetoo­ls unfair.

Außerdem ist der Fußball in der Champions League ohnehin nicht mehr mit jenem in der 2. Klasse Donau zu vergleiche­n. Die Kommerzial­isierung ist so extrem, dass ich keine aufrech- te Verbindung mehr zu den Hobbyfußba­llern sehen kann.

Meiner Meinung nach sollte jede technische Hilfe zugelassen werden, die auch wirklich eine Hilfe darstellt. Und jeder, der sich das leisten kann, soll sie auch einsetzen dürfen. Und wenn sich das ein Verein in der zweiten Liga einbildet – okay.

Wie viele Pausen?

Fraglich ist für mich hingegen, wie oft die Hilfsmitte­l eingesetzt werden dürfen. Bei Toren ist das eindeutig, da gibt es ohnehin die Spielunter­brechung, die von den Schiedsric­htern zum Videostudi­um genutzt werden kann. Aber gilt das auch für Abseitsent­scheidunge­n oder Fouls im Mittelfeld? Soll es eine Beschränku­ng pro Halbzeit und Team geben?

Eindeutig ist für mich hingegen, dass der Fußball als Breitenspo­rt auch künftig ohne Videobewei­s funktionie­ren wird. Wer heute gerne mit Bier und Knacker am Dorfplatz neben der Bande steht, wird auch künftig mit voller Überzeugun­g über den blinden Schiri schimpfen können.

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