Staubbekämpfung mit Teppichpracker statt Wischtuch
Porträt. Der neue Burgtheaterdirektor ist mutig, neugierig, sucht „Erregung“und „macht den Mund auf“
Martin Kušej sei DER Spezialist für die Entstaubung österreichischer Klassiker, schrieb der KURIER 2006 über seine Salzburger „Höllenangst“Inszenierung: „Wobei er dabei keineswegs zärtlich mit dem Wischtuch arbeitet. Er schlägt mit dem Teppichpracker auf die alten Texte ein, bis sich der Staub in großen Wolken erhebt.“
Er selbst will kein „Berserker“sein, sagte er zehn Jahre später in einem KURIERInterview: „Natürlich ist mein Stil kraftvoll, ich will ja auch von dem erregt sein, was ich tue. Und auch Erregung erzeugen! Aber ich arbeite längst fein und leise, präzise und psychologisch.“
Tatsache ist: Kušej ist einer der interessantesten Theater- und Opernregisseure der Gegenwart. Er beherrscht sowohl den Faustaufs-Auge-Stil, als auch die feine, psychologische Handschrift, oft beides gleichzeitig – sein „Weh dem, der lügt“im Burgtheater 1999 oder sein „König Ottokar“2005 bleiben unvergessen.
Kleines Restaurant
Mit Österreich hatte er noch eine dicke Rechnung offen, auch wenn er das vor einem Jahr vehement bestritt: „Mittel- oder langfristige Pläne gibt es im Theater nicht. Ich hab nur einen Notfall-PlanGedanken im Hinterkopf: Ich könnte jederzeit ein kleines Restaurant aufmachen.“
2005 verhandelte er mit Wiens Kulturstadtrat Andre- as Mailath-Pokorny – Kušej sollte die Wiener Festwochen übernehmen, die Verhandlungen waren weit fortgeschritten, dann setzte Luc Bondy auf höchster Ebene doch seine eigene Verlängerung durch. Kušej versuchte gar nicht, seinen Zorn zu verbergen und sprach von „Kasperltheater“. Kurz darauf galt er als hoher Favorit für die Nachfolge von Klaus Bachler als Burgtheaterdirektor, ihm wurde jedoch Matthias Hartmann vorgezogen. Kušej ging nach München, wo er das Residenztheater übernahm. Die Rechtfertigung des später wegen des Finanzdesasters entlassenen Hartmann, als Theaterdirektor sehe er sich verantwortlich für die Kunst, nicht für die Finanzen, kommentierte Kušej bissig: „Das gehört zur Job-Description des Intendanten.“
Sport
Kušej kam 1961 in Wolfsberg, Kärnten, zur Welt. Er studierte in Graz, zuerst Sport, Germanistik und Literatur, danach Regie. Als Regisseur wurde er rasch bekannt.Von 2004 bis 2006 leitete er den Schauspielbereich der Salzburger Festspiele.
Kušej arbeitet seit Jahrzehnten eng mit dem Büh- nenbildner Martin Zehetgruber zusammen, der einen ähnlich kraftvollen Stil hat – Kušejs Figuren bewegen sich meist auf unsicherem Terrain, auf Schlamm oder riesigen Baumstämmen. Kušej über die Zusammenarbeit: „Ich kann mit seinen Räumen sehr gut umgehen, wobei das nicht einfach ist, da hat sich schon mancher die Zähne daran ausgebissen.“
Haltung
Kušej ist aber auch ein mutiger Kommentator des politischen Geschehens: „Wir leben in einer Zeit, in der jeder Haltung zeigen soll. Ich bin bekannt dafür, dass ich meinen Mund aufmache.“