Kurier (Samstag)

Staubbekäm­pfung mit Teppichpra­cker statt Wischtuch

Porträt. Der neue Burgtheate­rdirektor ist mutig, neugierig, sucht „Erregung“und „macht den Mund auf“

- – GUIDO TARTAROTTI – THOMAS TRENKLER

Martin Kušej sei DER Spezialist für die Entstaubun­g österreich­ischer Klassiker, schrieb der KURIER 2006 über seine Salzburger „Höllenangs­t“Inszenieru­ng: „Wobei er dabei keineswegs zärtlich mit dem Wischtuch arbeitet. Er schlägt mit dem Teppichpra­cker auf die alten Texte ein, bis sich der Staub in großen Wolken erhebt.“

Er selbst will kein „Berserker“sein, sagte er zehn Jahre später in einem KURIERInte­rview: „Natürlich ist mein Stil kraftvoll, ich will ja auch von dem erregt sein, was ich tue. Und auch Erregung erzeugen! Aber ich arbeite längst fein und leise, präzise und psychologi­sch.“

Tatsache ist: Kušej ist einer der interessan­testen Theater- und Opernregis­seure der Gegenwart. Er beherrscht sowohl den Faustaufs-Auge-Stil, als auch die feine, psychologi­sche Handschrif­t, oft beides gleichzeit­ig – sein „Weh dem, der lügt“im Burgtheate­r 1999 oder sein „König Ottokar“2005 bleiben unvergesse­n.

Kleines Restaurant

Mit Österreich hatte er noch eine dicke Rechnung offen, auch wenn er das vor einem Jahr vehement bestritt: „Mittel- oder langfristi­ge Pläne gibt es im Theater nicht. Ich hab nur einen Notfall-PlanGedank­en im Hinterkopf: Ich könnte jederzeit ein kleines Restaurant aufmachen.“

2005 verhandelt­e er mit Wiens Kulturstad­trat Andre- as Mailath-Pokorny – Kušej sollte die Wiener Festwochen übernehmen, die Verhandlun­gen waren weit fortgeschr­itten, dann setzte Luc Bondy auf höchster Ebene doch seine eigene Verlängeru­ng durch. Kušej versuchte gar nicht, seinen Zorn zu verbergen und sprach von „Kasperlthe­ater“. Kurz darauf galt er als hoher Favorit für die Nachfolge von Klaus Bachler als Burgtheate­rdirektor, ihm wurde jedoch Matthias Hartmann vorgezogen. Kušej ging nach München, wo er das Residenzth­eater übernahm. Die Rechtferti­gung des später wegen des Finanzdesa­sters entlassene­n Hartmann, als Theaterdir­ektor sehe er sich verantwort­lich für die Kunst, nicht für die Finanzen, kommentier­te Kušej bissig: „Das gehört zur Job-Descriptio­n des Intendante­n.“

Sport

Kušej kam 1961 in Wolfsberg, Kärnten, zur Welt. Er studierte in Graz, zuerst Sport, Germanisti­k und Literatur, danach Regie. Als Regisseur wurde er rasch bekannt.Von 2004 bis 2006 leitete er den Schauspiel­bereich der Salzburger Festspiele.

Kušej arbeitet seit Jahrzehnte­n eng mit dem Büh- nenbildner Martin Zehetgrube­r zusammen, der einen ähnlich kraftvolle­n Stil hat – Kušejs Figuren bewegen sich meist auf unsicherem Terrain, auf Schlamm oder riesigen Baumstämme­n. Kušej über die Zusammenar­beit: „Ich kann mit seinen Räumen sehr gut umgehen, wobei das nicht einfach ist, da hat sich schon mancher die Zähne daran ausgebisse­n.“

Haltung

Kušej ist aber auch ein mutiger Kommentato­r des politische­n Geschehens: „Wir leben in einer Zeit, in der jeder Haltung zeigen soll. Ich bin bekannt dafür, dass ich meinen Mund aufmache.“

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„Endlich“: Minister Thomas Drozda über die Kür Kušejs

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