Kurier (Samstag)

Keine Überzeugun­g, sondern Taktik

- SANDRA LUMETSBERG­ER R sandra.lumetsberg­er@kurier.at

Homosexuel­le dürfen in Deutschlan­d nun heiraten. Das ist auch gut so. Dass es so weit kam, liegt am knallharte­n Kalkül von Kanzlerin Angela Merkel. Lange hat es gedauert, jetzt war es endlich so weit: Im Deutschen Bundestag wurde gestern die Ehe für alle abgesegnet, eine längst überfällig­e Entscheidu­ng. Damit fiel eine weitere Bastion der Konservati­ven. Ins Spiel brachte das Thema ausgerechn­et Kanzlerin Angela Merkel, die es mit der Union seit Jahren blockiert hatte.

Scheinbar beiläufig erwähnte sie Anfang der Woche beim Plausch mit der Frauenzeit­schrift Brigitte im Berliner Gorki-Theater, dass die „Ehe für alle“keine parteipoli­tische Frage, sondern „eine Gewissense­ntscheidun­g“sei.

Ein genialer Schachzug. Angela Merkel tat das, was sie am besten kann: den Parteien Themen abgraben und die CDU verstärkt in der Mitte platzieren.

Ihr war aber auch klar, dass sie das Thema Gleichstel­lung nicht mehr länger umschiffen kann. Der Druck der anderen Parteien stieg, ebenso jener in der Union. Dort bekennen sich auch einige Abgeordnet­e zu ihrer Homosexual­ität.

Dass SPD, Grüne und Linke die Kanzlerin beim Wort nahmen und den Gesetzesen­twurf am Freitag auf die Tagesordnu­ng setzten, kam ihr zwar doch zu schnell – aber auch entgegen.

Nun ist die CDU das Thema im Wahlkampf los, muss sich keine Spitzen der anderen Parteien gefallen lassen. Und die Kanzlerin bewahrt ihr Gesicht – bei den Konservati­ven ist sie fein raus. Denn dass sie ihren Kurs oder gar ihre Überzeugun­g nicht geändert hat, bewies sie letztlich bei der Abstimmung: Merkel stimmte für Nein. Damit wird sie vermutlich in die Geschichte dieses historisch­en Votums eingehen.

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